Der Fluch des Volkstribuns
stammte. Auf dem Sofa lag eine vage menschenähnliche, blutüberströmte Gestalt in einer seltsam gestreiften Robe, die mir nur zu vertraut war.
Als der Zug am Fuß der Basilica angekommen war, hob Pompeius gebieterisch die Hand, »Der Mord an diesem Mann«, rief er, »wird von der höchsten richterlichen Instanz Roms untersucht werden, vom Praetor Urbanus Titus Annius Milo!«
Er klopfte Milo auf die Schulter, und die Menge johlte frenetisch. »Hiermit entbinde ich dich aller anderen Pflichten.
Dieser Mord soll Vorrang vor allen anderen Fällen vor den Schranken des römischen Gerichts haben!«
Milo trat vor. »Mit Zustimmung des Senates und des Volkes möchte ich Decius Caecilius Metellus den Jüngeren zum ermittelnden Judex ernennen. Er soll wie ich die volle praetorianische Autorität genießen mit Ausnahme des Imperium, das ich mir für mich allein vorbehalte.«
»Seid ihr damit zufrieden, Römer?« rief Pompeius.
Ein Mann drängte nach vorn, den ich als Anhänger Clodius' kannte, ein Mann namens Vetilius. Er stieß ein paar andere beiseite, und es entstand ein kurzes lebhaftes Gerangel, bevor Vetilius mit der Hand auf mich zeigte.
»Jeder weiß, daß Milo und Metellus sich so nahestehen wie die Zähne eines Kammes! Benenne einen anderen!«
Ja, bitte, tu das! dachte ich.
»Aber«, entgegnete Pompeius, »ist Decius Metellus, einer der Zwanzig, euch allen nicht als findiger Menschenjäger bekannt, der schon zahlreiche Übeltäter der Gerechtigkeit überantwortet und mehr als eine Verschwörung gegen der Staat aufgedeckt hat? Er ist der Sohn eines Censors, Vetter zahlreicher Kriege, Sproß eines uralten und vornehmer Hauses und angeheirateter Neffe unseres großen und erfolgreichen Generals Gaius Julius Caesar!« Ich konnte förmlich hören, wie seine Zähne knirschten bei diese Lobeshymne auf den militärischen Ruhm eines anderen.
»Das ist nicht genug!« rief Vetilius. »Das Volk muß einer Vertreter entsenden!«
»Dann benenne ich in meiner Funktion als oberster Verantwortlicher dieser Ermittlung im Namen des Volkes die früheren Tribunen Publius Clodius und Marcus Porcius Cato«, sagte Pompeius. »Clodius hat seinen patrizischen Stand freiwillig aufgegeben, um als euer Tribun zu dienen, und Cato ist mehr als jeder andere Römer seiner Generation für seine Ehrlichkeit und Integrität bekannt. Stellt euch das zufrieden Bürger?« Jeder wußte, daß Clodius und Cato sich nicht ausstehen konnten.
Jetzt trat Cicero vor. Ein paar alte Anhänger Catilinas in der Menge murrten, doch die meisten schwiegen respektvoll.
»Römer! Bürger und Senatoren, die ihr euch in dieser bitteren Nacht hier versammelt habt, hört mir zu! Es ist an der Zeit, Politik und Parteien hinten anzustellen! Wir haben die unsterblichen Götter auf schreckliche Weise beleidigt, und wir dürfen uns nicht gegenseitig bekämpfen, während unsere heilige Stadt unter diesem düsteren Ungemach lebt. Ich fordere die pontifikalen Kollegien auf, sich noch einmal sämtliche Zeremonien und Feiertage dieses Jahres vor zu nehmen und zu überlegen, ob irgend etwas, sei es aus Nachlässigkeit oder vorsätzlich, getan oder unterlassen wurde.
In der Zwischenzeit rufe ich euch alle auf, versöhnt euch, bis wir festgestellt haben, wer die Schuld an diesem schändlichen Mord trägt. Ich fordere die hier auf diesen Stufen Versammelten auf, ihre Meinungsverschiedenheiten zu vergessen und ihre Bereitschaft zur Versöhnung zu demonstrieren, um den Göttern und dem Staat zu dienen, wie es die Römer in den Tagen von Scaevola und Fabius Maximus getan haben.« Ein brillanter Auftritt von Cicero, dachte ich, der gleichzeitig an Religion, Geschichte und Vaterlandsliebe appelliert hatte.
In der Menge begannen gut verteilte Stimmen zu rufen: »Ja!«
und »Zeigt es uns!«
Als erster streckte Milo die Hand aus. Langsam und widerwillig ergriff Clodius sie. Sie grinsten sich an, während ihre Augen Blitze schleuderten. Pompeius umarmte sie beide.
Dann gesellten sich noch Cato, Cicero und ich zu dem innigen Dreier, und es gab eine veritable Orgie des Händeschüttelns, Schulterklopfens und Umarmens. Die Menge war begeistert. Sie hatten noch nie so viele Todfeinde so dicht beieinander stehen sehen, ohne daß Schwerter gezückt wurden. Schließlich lösten wir uns voneinander und bemühten uns um eine würdige Haltung. Ich hörte Cicero aus dem Mundwinkel knurren: «Und ich habe die Komödien von Plautus immer für übertrieben und unrealistisch
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