Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch des Volkstribuns

Der Fluch des Volkstribuns

Titel: Der Fluch des Volkstribuns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
Vom Netzwerk:
haben.
    Ich überlegte meinen nächsten Schritt. Was immer ich vorhatte, es erschien mir ratsam, es vor Einbruch der Dunkelheit erledigt zu haben. Auf den Straßen war ich nicht mehr sicher.
    Ich habe den Capitol immer für einen guten Ort gehalten, um in Ruhe nach zu denken, also folgte ich der gewundenen Straße auf seine Kuppe. Vor dem Jupitertempel glühte noch die Asche der Morgenopfer. Ich betrat den Tempel und betrachtete eine Weile das erhabene Antlitz des Gottes. Ich versuchte, mich auf gar nichts zu konzentrieren und meine Gedanken schweifen zu lassen. Der Geruch von Rauch erinnerte mich an die Zerstörung des Tempels vor fast dreißig Jahren, als ein Blitz eingeschlagen war. Die Auguren erklärten, daß Jupiter den Tempel zerstört hatte, weil er damit unzufrieden gewesen war, also wurde er in noch größerer Pracht wieder aufgebaut. Doch viele seiner Schätze waren zerstört worden, darunter auch die Sibyllinischen Bücher.
    Wieder spürte ich im Hinterkopf etwas wie das Kitzeln einer Feder. Ich wollte nichts erzwingen, sondern ließ statt dessen meiner Erinnerung und dem, was sie über die berühmten prophetischen Bücher zutage förderte, freien Lauf.
    Die Sibyllen waren griechischen Ursprungs, so viel wußte ich noch. Sie hatten irgendwas mit Apollo zu tun und gaben prophetische Äußerungen von sich, die für die meisten Menschen nur sinnloses Gebrabbel waren, von eingeweihten Priestern jedoch angeblich als Wille der Götter gedeutet werden konnten. Die Weissagungen einiger dieser Sibyllen waren in neun Büchern aufgeschrieben worden, die es irgendwie nach Italien verschlagen hatte. Die Legende erzählte, daß die berühmten Bücher während der Regentschaft des letzten römischen Königs, Tarquinius Superbus, nach Rom gebracht und ihm zum Kauf angeboten wurden. Er hielt den Preis jedoch für unverschämt und lehnte ab, woraufhin die Sibylle ein Buch nach dem anderen verbrannt und für die verbliebenen Bücher jedesmal denselben Preis verlangt hatte. Tarquinius, der ein ebenso miserabler Geschäftsmann wie König war, willigte ein, als nur noch drei Bücher übrig waren. Diese deponierte er in einem Gewölbe unter dem Tempel, wo sie von Zeit zu Zeit konsultiert wurden, weil man allgemein glaubte, daß die Bücher Weissagungen über die gesamte zukünftige Geschichte Roms enthielten.
    Ich hielt das für eine der albernsten unserer althergebrachten Vorstellungen, doch viele glaubten daran. Lisas hatte mir erzählt, daß Crassus diese Bücher als Vorwand benutzt hatte, um den Senat daran zu hindern, Ptolemaios mit einer römischen Armee als Unterstützung nach Ägypten zurück zu schicken.
    Und wer war die Sibylle gewesen, die die Bücher so preisgünstig an Tarquinius Superbus verkauft hatte? Es war natürlich Italiens berühmteste Prophetin, die Sibylle von Cumae, gewesen. Ich machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Tempel. Mein Ziel waren die Bestattungsgruben im Osten der Stadt und das Haus eines Experten für alles Mystische, das Haus des Ariston von Cumae.
    Schon bevor ich die Tür erreicht hatte, wußte ich, daß ich zu spät gekommen war. Ein unbewohntes Haus hat eine eigene Aura, die anders ist als die Ausstrahlung eines bewohnten Gebäudes. Ich ging zwischen den Zypressen hindurch, niedergedrückt von dem durchdringenden Leichengeruch, der über der ganzen Gegend lag, und fragte mich, ob ich in dem bescheidenen Haus eine weitere Leiche finden würde. Hier draußen bellten keine Hunde, es krähten keine Hähne, es gab überhaupt keine freundlichen oder vertrauten Geräusche.
    Der Form halber klopfte ich an, wartete eine angemessene Weile und öffnete dann die Tür.
    »Ariston!« rief ich. Nichts. Ich betrat das Haus. Alles war ruhig, und ich konnte keinerlei Anzeichen für einen überstürzten Aufbruch erkennen. Die schlichten Möbel waren noch da, doch es waren ohnehin nur zwei Tische und einige karge Betten, die auf eine Reise mit zu nehmen sich nicht gelohnt hätte.
    Ich betrat ein Zimmer im ersten Stock mit einem großen Fenster nach Süden. Ich war sicher, daß es Aristons Arbeitszimmer war, weil es das beste Licht hatte und an der Wand ein Schrank stand, der einmal Aristons Bücher enthalten haben mußte, doch die waren weg. In der Küche fand sich nichts Eßbares, nur ein großes, halbvolles Wasserfaß und ein paar Melonenrinden.
    Ariston war unfeierlich und in Eile aufgebrochen. Hatte er Angst gehabt? Und wenn ja, vor wem? Hatte er befürchtet, daß ich mit weiteren Fragen zurück

Weitere Kostenlose Bücher