Der Fluch des Volkstribuns
veranschlagen.
Diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich mich am nächsten Morgen dorthin auf den Weg machte, gemächlich, auch wegen meiner fast beispiellosen Zahl an Schnittwunden und Prellungen. Eines meiner Probleme war, daß ich zu lange weg gewesen war. Ich hatte das Gespür dafür verloren, was das Forum dachte und fühlte. Mir fehlten fast drei Jahre an Erfahrungen in der Stadt, und die Briefe von Freunden hatten das nicht ausgleichen können.
Eine Ermittlung in Rom bestand zum großen Teil im Aufspüren von Zusammenhängen und Verbindungen.
Normalerweise waren meine Sinne für diese Dinge besonders geschärft, doch jetzt war alles verrutscht: mein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt, mein Urteilsvermögen, meine Fähigkeit, Stimmungen einzuschätzen. Ich war mir sicher, daß ich, wenn ich in den vergangenen drei Jahren ununterbrochen in der Stadt gewesen wäre, schon viel früher auf den all diese Ereignisse verbindenden Punkt gekommen wäre.
Unter solchen Überlegungen erreichte ich das Forum und merkte sofort, daß üble Stimmung herrschte. So gut funktionierte mein Gespür denn doch noch. Am Tag zuvor war die Atmosphäre leidenschaftlich gewesen, heute hingegen war sie düster und brütend. Die Menschen brüllten nicht, sie murmelten. Und die Senatoren auf den Treppen disputierten nicht, sondern zischten sich an wie aufgescheuchte Vipern.
Vor der Curia entdeckte ich ein unverwechselbares Beförderungsmittel: eine riesige, mit bunten Vorhängen verhängte Sänfte mit Tragepfählen aus poliertem Ebenholz, deren Enden aus goldenen Löwenhäuptern mit Juwelen als Augen bestanden. Über dem Dach breitete ein goldener Geier schützend seine Schwingen aus. Es war die Sänfte des ägyptischen Botschafters Lisas. Ein Dutzend prachtvoll gekleideter Träger standen geduldig wie die Ochsen an den Pfählen und warteten.
Wie üblich standen eine Reihe von Senatoren auf den Stufen der Curia herum. Sie hatten Ausschußsitzungen, nahmen als Geschworene an einem Prozeß teil oder hatten oft genug einfach nichts anderes zu tun. Ich trat in die Mitte einer solchen Ansammlung und wies mit dem Kopf auf die Sänfte.
»Was ist los?« fragte ich.
»Der alte Lisas ist vor einer Stunde aufgekreuzt«, sagte ein Mann namens Sulpicius. »Er sah aus wie ein zum Tode Verurteilter und verlangte, unverzüglich Pompeius zu sprechen.
Die beiden sind jetzt drinnen.«
»Muß eine schlechte Nachricht aus Ägypten sein, wenn dieser fette Perversling sich so früh aus dem Bett bemüht«, meinte ein anderer.
»Hat es je eine gute Nachricht aus Ägypten gegeben?«
schnaubte Sulpicius verächtlich.
Ein Praetor namens Gutta mischte sich ein. »Für Gabinius waren es jede Menge gute Nachrichten.«
»Was meinst du damit?« fragte ich ihn.
»Kennst du die Geschichte nicht? Angeblich hat Ptolemaios Gabinius zehntausend Talente gezahlt, daß er ihm seinen fetten Hintern wieder auf den ägyptischen Thron gehievt hat. Er hat immerhin drei Schlachten dafür gebraucht. Aber jetzt ist der Flötenspieler König, und Gabinius kehrt als reicher Mann heim.«
»Ich weiß natürlich, daß Gabinius Ptolemaios wieder eingesetzt hatte«, sagte ich. »Das habe ich gleich nach meiner Heimkehr erfahren. Aber ich dachte, es sei ziemlich unblutig abgegangen. Gegen wen hat er gekämpft?«
»Eine der Prinzessinnen hat einen Aufstand angezettelt und auch viele Alexandriner auf ihre Seite gebracht. Welche war es noch?« Gutta kratzte sich am Kopf und dachte angestrengt nach.
»Kleopatra?« fragte ich. »Sie ist zwar noch schrecklich jung, aber sie ist die einzige aus der Familie, die klar denken kann.«
»Nein, es war eine der anderen«, sagte Sulpicius. »Berenike, genau, die war es.«
»Berenike?« sagte ich. »Die kenn' ich. Die Frau kann nicht mal ihre nächste Abendgesellschaft planen, geschweige denn eine Rebellion.«
»Sie hat einen Kerl namens Archelaus geheiratet«, sagte Sulpicius, »einen Makedonier, dessen Vater einer von Mithridates' Generälen war, angeblich ein echter Soldat.«
Mir war, als ob ich mich an ihn erinnerte: einer der Söldner mit den harten Gesichtern, die die degenerierte makedonische Dynastie auf dem ägyptischen Thron hielten und jeweils den Thronanwärter unter stützten, der sie am besten behandelte.
»Da kommt Lisas«, sagte Gutta.
Ich blickte zum Eingang der Curia und sah Pompeius mit Lisas herauskommen. Der Konsul tätschelte den Arm des Botschafters, als wolle er ihn beruhigen. Lisas verabschiedete sich und
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