Der Fluch vom Valle della Luna
was für ein Leben die Partner und Kinder der Pisus führen. Sie ist abgehauen. Du bist geblieben. Wegen des Geldes, meint sie. Ein gutes Verhältnis? Und mit Magraja? Hast du mit dem stillen Wasser von Schwägerin auch ein gutes Verhältnis?
»Gut, Signor Pizzi, Sie können jetzt gehen. Wie Sie wissen, sind unsere Techniker bereits bei Ihnen gewesen und haben Ihr Telefon verkabelt für den Fall, dass die Entführer sich melden sollten. Vizekommissar Auteri wird sich mit anderen Kollegen zur Überwachung bei Ihnen abwechseln. Hoffen wir, dass sich alles glimpflich lösen wird.«
Tano steht auf, die anderen tun es ihm gleich. Signor Pizzi ist fürs Erste entlassen.
X
Es vergehen zähe zwei, drei, vier, fünf Tage. Die Entführer lassen nichts von sich hören. Marilena Pizzi scheint sich in Luft aufgelöst zu haben, das Telefon im Hause Pisu-Pizzi bleibt stumm. Marilenas Mann hingegen scheint mit jedem Tag, der ohne ein Lebenszeichen von seiner Frau verstreicht, mehr und mehr aufzublühen. Fasziniert registriert Nelly diese wundersame Wandlung, die sich womöglich unbewusst, aber umso bedeutungsschwerer vollzieht. Romeo Pizzi ist wie ausgewechselt, sein Gang plötzlich aufrecht, der Teint weniger fahl. Seine Augen glänzen, und seine Versuche, den erschütterten Ehemann zu mimen, scheitern kläglich. Es ist, als würde er sich von einer schweren Krankheit erholen. Und wenn er Marilena auf dem Gewissen hat? Magraja hat sein Alibi bestätigt. Am Ende sind die wirklich ein Liebespaar ... Nelly muss an Alceo Pisus spöttische Bemerkung an jenem Abend an der Piazza delle Erbe denken: »Die ist eine Art Nymphomanin, im Kopf nicht helle, aber die Triebe ...« Sie ist auf dem Weg in die Via Balbi, noch ehe sie es beschließen kann, bringen ihre Füße sie dorthin: zu Magraja Pisu.
Schon beim Eintreten bemerkt Nelly, dass sich auch in der Pisu-Wohnung etwas verändert hat. Es ist heller, weniger muffig, anders. Celeste hat mit dem üblichen Gemecker über die zudringliche Polizei die Tür geöffnet und barsch nach Magraja gerufen, die sofort auftaucht und sanftmütig lächelt.
»Kommen Sie, Dottoressa Rosso, und nehmen Sie es Celeste nicht übel. Sie mag keinen Besuch, ihr wäre es am liebsten, es käme nie jemand hierher ...«
Sie führt Nelly in den kleinen Salon, das Fenster steht weit auf, Frühlingsgeruch strömt herein. Nelly setzt sich und schlägt die langen Beine übereinander. Magraja nimmt ebenfalls Platz. Sie trägt ein schlichtes, aber leuchtend blaues Kleid, ihr Haar fällt offen über die Schultern und ihr Gesicht ist glatt und faltenlos.
»Wirklich? Celeste hat Besuch nicht gern? Und wie sieht es mit Ihrem Schwager Romeo Pizzi aus?«
Für einen kurzen Moment weiß Magraja nicht, was sie sagen soll, doch sie versucht, sich nichts anmerken zu lassen.
»Die Verwandten kommen natürlich, um meine Mutter zu besuchen. Signor Pizzi ist der Schwiegersohn, hin und wieder schaut er vorbei, was ist daran so komisch?«
Nelly lässt nicht locker.
»Ich habe nicht behauptet, dass daran etwas komisch ist. Ich habe nur gefragt, ob Celeste etwas gegen seine Besuche hat. Immerhin waren Sie am Abend der Entführung Ihrer Schwester Marilena zusammen ... Ein hübsches Alibi für Sie beide, oder?«
Magraja blickt sie wortlos an und fährt sich mit der Zunge über die Lippen. Sie blinzelt unsicher.
»Celeste liebt mich wie eine große Schwester und versucht nur, mich zu beschützen, das ist alles.«
»Jetzt, wo Ihre richtige große Schwester verschwunden ist?«
»Ja ... nein ... das ist entsetzlich! Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Manchmal frage ich mich, ob sie nicht aus freien Stücken verschwunden ist. Einfach abgehauen«, murmelt sie.
»Wieso hätte sie das tun sollen? Wüssten Sie einen Grund, weshalb sie sich einfach aus dem Staub hätte machen sollen?«
Sie beugt sich forschend zu Magraja hinüber, die mit den Lidern blinzelt, aber keinen Millimeter zurückweicht.
»Manchmal denke ich ... dass man ... vielleicht alles hinter sich lassen und verschwinden will, das ist alles. Damit will ich nicht sagen, dass Marilena das gemacht hat. Aber es kann passieren, oder nicht?«
»Magraja, sind Sie die Geliebte Ihres Schwagers Romeo Pizzi?«
Sie hat die Frage abgefeuert wie einen Pistolenschuss, doch Magraja ist nicht leicht aus der Fassung zu bringen. Sie sieht Nelly mit großen, arglosen Augen an.
»Mein Schwager ist ein anständiger Mensch. Manchmal fühlt er sich einsam und sucht
Weitere Kostenlose Bücher