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Der Fluch vom Valle della Luna

Der Fluch vom Valle della Luna

Titel: Der Fluch vom Valle della Luna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
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Focaccia. Er war ein ruheloser Mensch, der Bewegung brauchte, und Beschattungen, bei denen man zuweilen eine Engelsgeduld an den Tag legen musste, waren nicht sein Ding. Doch auch das gehörte zum Job eines Bullen: stundenlang dahocken und glotzen. Gerolamo hingegen schien für diese Aufgabe wie geschaffen zu sein. Reglos saß er da, wie eine Katze vor einem Mauseloch.
    Diese Beschattung war einer Eingebung Nellys zu verdanken, die Marco allerdings für echten Schwachsinn hielt: Gemma Innocenti beobachten, die Schwester des Mordopfers von Giancarlo Pisu – was sollte das? Seine Kollegin vor einem Untergebenen zu kritisieren, wäre ihm nicht in den Sinn gekommen, doch mit Gerolamo war es etwas anderes, und so konnte er nicht länger an sich halten. Er wollte wissen, was der Chefassistent davon hielt.
    »Was meinst du, Gerolamo, glaubst du, unsere Geduld wird belohnt? Wer weiß, was Nelly geritten hat.«
    Gerolamo zog wortlos die Schultern hoch. Er hätte sich nie erlaubt, Nellys Entscheidungen zu kritisieren oder dem Vizekommissar zu widersprechen. Nicht einmal mit der Kneifzange konnte man Gerolamo etwas aus der Nase ziehen. In dem Moment – es war halb neun Uhr abends und noch nicht ganz dunkel – erschien Gemma in der Tür. Sie war unauffällig gekleidet, Jeans und eine dunkle Windjacke, blickte sich um und machte jemandem, der hinter ihr im Schatten stand, ein Zeichen. Ein hochgewachsener, schlanker Schemen mit tief ins Gesicht gezogener Kappe tauchte auf.
    »Scheiße, Gerolamo, mich trifft der Schlag! Das ist er, De Magistris, jede Wette. Los, den schnappen wir uns.«
    Lautlos und mit langsamen, fließenden Bewegungen schälten sich die beiden aus dem Auto. Das Paar huschte geduckt an der Mauer Richtung Via Corsica entlang. Hin und wieder warf der junge Mann einen Blick nach rechts und links. Die zwei Polizisten näherten sich den beiden, Marco überholte sie, während Gerolamo hinter ihnen blieb, um ihnen den Weg abzuschneiden. Als er seine Verfolger bemerkte, versuchte Filippo De Magistris, seitlich zu entwischen, doch zu spät. Marco kam ihm zuvor, packte ihn, und Sekunden später lag er mit Handschellen am Boden.
    »Filippo De Magistris, ich verhafte Sie wegen des Verdachts auf Entführung und Mord an Marilena Pizzi«, stieß Marco hervor, während Gemma Innocenti, die sich gerade vom ersten Schock erholte, zu schreien anfing. »Seien Sie still und folgen Sie uns, Signorina«, forderte der Vizekommissar sie barsch auf. »Sie sind beide verhaftet, Ihr Freund wegen Verdacht auf Entführung und Mordes und Sie wegen Beihilfe.«
    »Wovon reden Sie? Beihilfe? Sind Sie verrückt? Filippo ist mich besuchen gekommen, ich hatte keine Ahnung von diesen Anschuldigungen.«
    Marco lachte grimmig. »Aber sicher, das können Sie sonst wem erzählen.«
    Zusammen mit Gerolamo schob er die beiden ins Auto – Filippo hatte keinen Ton gesagt –, und sie rasten los Richtung Marassi.

IV
     
    Nelly hatte recht gehabt. Die Erinnerung an das kurze Gespräch mit Filippo während des Trauerempfangs bei Marilena Pizzi hatte ihr mit einem Schlag ein neues, zwar rein theoretisches, jedoch durchaus denkbares Szenario eröffnet. Der Junge hatte ihr erzählt, dass er die beiden Innocenti-Schwestern kenne und ein paar Mal mit Gemma ausgegangen sei. Seine Freunde hatten ausgesagt, er habe eine neue Flamme, die sie noch nie gesehen hätten. Ein Versuch ins Blaue, aber er hatte funktioniert. Nun saß Filippo im Marassi-Gefängnis und sollte von der Staatsanwältin Antonella Pasqui verhört werden. Die Fährte der Familienrache war die wahrscheinlichste, auch wenn es für Giacomo Pisus Mittäterschaft bei den Entführungen in den Siebzigern in Sardinien keinerlei Beweise gab. Vielleicht wusste Filippo De Magistris mehr.
     
    Mit dem unguten Gefühl eines schlimmen Déjà-vu stand Nelly in dem Verhörzimmer des Gefängnisses dem jungen Mann gegenüber. Dieselbe Anwältin wie bei der Vernehmung von Giancarlo Pisu, Fiorenza De Mattei, die mit einem kämpferischen Ausdruck auf ihrem sorgfältig geschminkten Gesicht dasaß, um dem Verhör beizuwohnen, und dieselbe Staatsanwältin, die für alle drei Ermittlungen im Zusammenhang mit der Familie Pisu zuständig war, den Mord an Gioia Innocenti eingeschlossen. Der Verdacht, dass Giancarlo Pisu nur in eine Falle gelockt worden und Gioias Tod eine Art grausamer »Kollateralschaden« in einem unerbittlichen Rachefeldzug gegen die Pisus war, erschien letztlich nicht mehr allzu weit hergeholt. Gioia

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