Der Fluch vom Valle della Luna
als Freundin, als Polizistin, als Geliebte ... Sie gönnte sich ein ausgiebiges Bad in Tanos Jacuzzi und cremte sich mit den teuren Cremes ein, die andere Frauen zurückgelassen hatten. Dann zog sie sich an und ging zu ihm ins Wohnzimmer, wo er gerade dabei war, den Frühstückstisch zu decken.
»Schon angezogen? Wo willst du hin? Ich dachte, wir beide lassen es endlich mal gemütlich angehen«, sagte er stirnrunzelnd. Er traute Nelly nicht, und das zu Recht.
»Es tut mir wahnsinnig leid, Tano, aber mein Sohn hat ein echtes Talent, einem auf die Nerven zu gehen. Er ist überraschend heute Nacht gekommen und will mit mir reden. Ich wette, er hat mal wieder Ärger wegen seiner Mailänder Bude oder so, aber da er heute Abend bereits wieder fährt, kann ich mich schlecht aus der Affäre ziehen ...«
Tano starrte sie an, als hätte sie ihm soeben eröffnet, dass sie für sämtliche Morde an den Pisus inklusive Marilenas Entführung verantwortlich sei. Doch wahrscheinlich wäre sein Blick dann mitleidiger und verständnisvoller ausgefallen. Vergeblich rang er nach einer angemessenen Erwiderung, brachte aber nur ein zorniges Schnauben heraus. Nelly nahm Platz, als wäre nichts, und goss sich eine Tasse Kaffee mit lauwarmer Milch ein. Sie wagte es nicht, ihn anzusehen, so mies fühlte sie sich. Der Schutzwall gegen das schlechte Gewissen fiel erbärmlich in sich zusammen. Tano versuchte derweil dem Impuls zu widerstehen, etwas gegen die Wand zu schmettern.
»Wann hörst du endlich auf, die Super-Mama zu spielen? Reicht es nicht, dass du einen Freund am anderen Ende der Welt hast, der sich hin und wieder bequemt, in Genua aufzukreuzen, nein, auch noch das verwöhnte Söhnchen muss es sein, das wochenlang nichts von sich hören lässt und dann deine Pläne auf den Kopf stellt, wann’s ihm gerade passt, ohne überhaupt zu fragen, ob du welche hast, oder sich dafür zu entschuldigen. Ich verstehe dich nicht. Du bist doch eine kluge, unabhängige, starke Frau. Machst du das eigentlich nur bei mir so? Bin ich der Einzige, den man im letzten Moment abservieren kann?«
Tano hatte leise und drohend geklungen. Nelly musste zugeben, dass er allen Grund hatte, verärgert zu sein.
»Es tut mir leid, Tano«, murmelte sie. »Du hast recht. Aber ich muss gehen.«
»Ich habe recht? Danke! Den Blöden gibt man immer recht, wusstest du das nicht? Aber das machst du mit mir nicht noch mal, das sage ich dir.«
Sie schluckte. Fühlte sich unglücklich, fehl am Platz, gescheitert.
»In Ordnung, wie du willst. Ich gehe, ciao.« Sie stand auf und ging ihre Tasche holen, dann trat sie unsicher auf ihn zu, doch er drehte sich weg. Sie berührte seine Hand, die er sofort zurückzog.
»Ciao.« Und schon war sie fort.
Nelly hatte ins Schwarze getroffen. Mau war gekommen, um mit ihr über finanziellen Ärger wegen der Wohnung zu sprechen. Einer der beiden Mitbewohner zahlte nicht regelmäßig, weil er kein Geld hatte, und hatte die anderen gebeten, ihm etwas zu leihen, oder besser, ihm für unbestimmte Zeit die Miete zu zahlen. Der Gutmensch Mau war sogar bereit, das für zwei Monate zu tun, doch Luca, der Dritte im Bunde, war vollkommen dagegen, und die täglichen Streitereien drohten zu eskalieren. Wollte Mau seinem klammen Mitmieter helfen, würde er zwei Monate lang das Doppelte an Miete zahlen müssen. Die von Luca verfochtene Alternative war, Matteo einfach rauszuschmeißen. Das war leichter gesagt, als getan. Nelly und Mau überlegten gemeinsam und kamen zu dem Schluss, dass Mau einen Monat zahlen würde. In der Zeit würde Matteo sich etwas ausdenken oder sich einen neuen Job und/oder eine neue Wohnung suchen müssen. Mau und Luca würden sich dafür einen anderen, zahlungsfähigen Mitbewohner suchen.
Und so war Nelly am Abend, als Mau wieder gefahren war, um ein paar Scheine ärmer, aber dennoch froh, endlich einen Tag mit ihrem Sohn verbracht zu haben, der ihr diesmal vielleicht aus Taktgefühl Gesellschaft geleistet hatte, statt mit seinen Freunden loszuziehen. Das hatte sie zumindest ein wenig für den Streit mit Tano entschädigt, für den sie in den kommenden Tagen womöglich noch teuer würde bezahlen müssen. Tano war nachtragend und spielte gern die beleidigte Leberwurst.
All das ging Nelly durch den Kopf, als sie nun nach zahllosen feuchtkalten Regentagen endlich einmal wieder auf ihrer Terrasse saß. Die Katzen waren aufgekratzt wie immer, wenn ihr geliebter Mau auftauchte, und Pippo hatte sich an ihre Brust
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