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Der Fluch vom Valle della Luna

Der Fluch vom Valle della Luna

Titel: Der Fluch vom Valle della Luna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
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und bat ihn mit einer Handbewegung, das Schlafzimmer zu verlassen, damit sie sich anziehen konnte.

V
     
    Auf den Dächern und Straßen begann der Eintagsschnee zu schmelzen. Es war Wochenende, früher Sonntagnachmittag, und Nelly blickte aus dem Wohnzimmerfenster auf die Terrasse und die mit schmuddeligem Schneematsch bedeckten Kräutertöpfe. Seit Mau weggezogen war, hatte sie sich im Gegensatz zu früher einigermaßen regelmäßig um sie gekümmert, denn es hätte ihr leidgetan, wenn sie eingegangen wären. Er hatte sie immer gepflegt ... Wie war das noch mal? Unter dem Schnee sind die Pflanzen geschützt, es ist der Frost, der ihnen schadet. Na, wenn das mal stimmte. Sie öffnete die Fenstertür, zog sich den ausgeblichenen rosa Morgenmantel um die Schultern und trat hinaus. Unter dem schweren, hier und da vom Wind aufgerissenen Winterhimmel war die Terrasse ein einmalig stimmungsvoller Ort. So klein sie war, bot sie einen atemberaubenden Blick über Stadt, Berge und Meer und bildete in Nellys Privatleben den Mittelpunkt. Das Meer war grau wie der Himmel, doch die ziehenden Wolken zauberten Lichtreflexe auf seine Oberfläche. Der Hafen und die Altstadt mit den ebenfalls grauen Schieferdächern sahen aus wie eine weiß gesprenkelte Felsenlandschaft. Der Sonntag, sowieso der ruhigste Tag der Woche, war von einer unnatürlichen Stille erfüllt, als befände man sich tatsächlich in einer antiken, verlassenen Ruinenstadt. Die haben sich alle in ihren Wohnungen verkrochen, liegen im Bett oder sitzen mit Verwandten und Freunden bei Tisch. Sie seufzte und spürte, wie sich die Leere in ihr breitzumachen drohte. Schaudernd zog sie sich den Morgenmantel genannten Lumpen eng um die Schultern, kehrte in die Wohnung zurück und schloss die Tür. Silvestro, der lautlos und unbemerkt auf die Terrasse geschlichen war, hockte miauend davor und wollte wieder ins Warme. Winkend hob er die Pfoten und warf ihr herzzerreißende Blicke zu. Sie öffnete, doch kaum stand die Tür auf, wurde das dumme Tier sofort unschlüssig. Die legen sich auch nicht gern fest, genau wie ihr Frauchen. Sie dachte an den vorigen Tag, Samstag, an ihre Flucht aus Tanos Wohnung. Ich brauche mir gar nichts vorzumachen, Tano zieht mich einfach magisch an, kaum bietet sich eine Gelegenheit, sind wir zwei nicht zu halten. Himmel, was für ein Schlamassel! So kann es nicht weitergehen. Aber warum eigentlich nicht? So wie mir geht’s doch vielen! Sich nicht entscheiden zu können, dies und das zu wollen. Ich bin sicher, daran ist nur die Entfernung schuld. Wäre Carlo immer hier, würde mir das nicht passieren. Aber so ... Scheiße noch mal, wer will sich überhaupt entscheiden?
    Sie ging zum Kühlschrank, öffnete ihn, griff nach dem Glas Light-Mayonnaise und dem Kastenweißbrot, steckte zwei Scheiben in den Toaster, setzte sich und wartete, dass sie wieder heraussprangen. Einsame Sonntage waren trostlos. Als ihr Sohn noch bei ihr wohnte, war er zwar auch fast nie zu Hause gewesen, aber dennoch hatte er die Bude mit Leben gefüllt. Unversehens konnte er hereinkommen, lachen, herumwitzeln, streiten ... Seufzend betrachtete sie ihre Taille, die wieder runder zu werden drohte. Kein Wunder, wenn sie weiterhin von Brot mit Mayo und Take-away-Pizza lebte. Die Brotscheiben sprangen mit einem Klacken aus dem Toaster, Nelly bestrich sie großzügig mit der gelben Creme und fühlte sich sehr masochistisch. Gerade wollte sie in die erste Scheibe beißen, da klingelte das Telefon. Schnaubend griff sie nach dem Hörer. Sandras tiefe, kehlige und von ihr selbst als sexy bezeichnete Stimme drängte sich in ihr Ohr und fegte die grauen Gedanken hinweg.
    »Nelly? Was machst du gerade?«
    »Ich kratze mich, stell dir vor.«
    »Entschuldige, wenn ich dich bei so einer anspruchsvollen Tätigkeit störe, dazu noch am heiligen Sonntag. Was hältst du von einem netten Familientreffen?«
    Nelly begriff nicht. »Was denn für’n Familientreffen?«
    Ein Seufzer, dann: »Hör mal, ich bin echt nicht sauer, wenn du mir den Mittelfinger zeigst, aber ich bin gerade bei meiner Tante Lorenza. Alle Verwandten sind da, das wäre eine prima Gelegenheit, um ein bisschen mit ihnen zu plaudern. Nur, um dir selbst ein Bild zu machen, wie die Familie tickt. Um ein paar Eindrücke und Ideen zu kriegen. Na? Komm doch, bitte. Sie wohnen nicht weit vom Bahnhof Principe, gleich hinter der Via Balbi.«
    Sandras Stimme klang flehend. Nelly wollte nicht, dass sie bemerkte, wie froh sie über diesen

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