Der Fluch vom Valle della Luna
hin.
»Neugierig, was? Wie alle Weiber. Lass uns einen Pakt schließen, Commissario. Ich erzähle dir, was ich weiß, aber solltest du versuchen, es gegen mich oder meine Familie zu verwenden, werde ich alles leugnen. Ich hab im Knast nämlich studiert, weißt du? Ich hab die Grundschule nachgeholt, dann die Mittelschule, und ich habe eine Menge gelesen. Zeit hatte ich reichlich. Ich bin nicht der dämliche Ziegenbock, für den du mich hältst, auch wenn ich stinke.« Er lächelt. »Dafür hilfst du dem Jungen, so gut es geht. Vielleicht ist ihm das Gleiche passiert wie Gavino und mir. Vielleicht wollte ihn jemand in die Pfanne hauen. Ich bitte dich nur um eine unvoreingenommene Ermittlung.«
»Meine Ermittlungen sind immer unvoreingenommen. Aber wenn er es war, kann ich ihm nicht helfen.«
»Das ist klar. Doch als ich die Geschichte in der Zeitung gelesen habe ... Das klingt zu sehr nach dem, was ich selbst erlebt habe. Die blutbefleckten Kleidungsstücke, das Foto in der Schublade. Das ist alles eine Finte, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, wer es gewesen sein könnte.« Er kratzt sich nachdenklich am Kopf. Seine kastanienbraunen Augen sind die gleichen wie Filippos, und sie wirken aufrichtig.
»Was ist in jener Nacht passiert, Panni? Als die Carabinieri euch im Valle della Luna überrascht haben?«
Klar und bündig beginnt Panni zu erzählen. Giovanni und Giosué Secci haben sich mit Giacomo Pisu auf Kindesentführungen verlegt. Alle drei Familien, die Seccis, die Pisus und die Sogos wussten von der Sache und waren mit verschiedenen Aufgaben daran beteiligt. Die Sogos-Eltern, die Frauen der Brüder, Pisus Ehefrau Lorenza und die Frauen ihrer Brüder. Auch Boboi, ja auch er, aber er hat nie unmittelbar an einer Aktion teilgenommen.
Es war eine sichere Sache. Der Notar Sala aus Olbia kollaborierte, und auch ein paar andere, die er nicht kannte. Einfach und genial. Die Kinder waren ein leichtes Ziel, und die Eltern hatten Todesangst. Sie schwiegen und zahlten. Die Babies waren nicht in der Lage, ihre Entführer oder den Ort, an dem sie gefangen gehalten wurden, wiederzuerkennen, und waren sie ein bisschen größer, wurden ihnen die Augen verbunden. Und dazu – hier musste Panni kurz auflachen – hielt man sie vor aller Augen gefangen. In einem Verlies unter dem Haus der Pisus, mitten im Dorf. Ein schalldichter Raum, von dem niemand wusste. Die Frauen der Familie kümmerten sich um die Kleinen, alles ging schnell über die Bühne, die Entführungen dauerten nie länger als ein paar Tage. Die Sogos hatten Geschmack daran gefunden, auch wenn die Seccis und die Pisus den Löwenanteil einstrichen und ihnen nur ein paar Krümel übrigließen, doch die waren zu jener Zeit wie Manna.
Alles lief glatt, bis zur Entführung der kleinen Schweizerin. Der Notar aus Olbia hatte durchblicken lassen, die Eltern seien stinkreich, und er wisse, wo sie sich aufhielten. Ablauf und Logistik wurden abgesprochen. Gavino hat sie geholt. Sie ist im Verlies gelandet, das noch aus der Zeit der Spanier stammte, wer weiß, was die da für Schweinereien veranstaltet haben ... Dieses kleine Mädchen ist ihm ziemlich nahegegangen, er war nämlich selbst erst vor kurzem Vater eines kleinen Mädchens geworden. Ansonsten war es für die Familie die übliche Routine. Giacomo Pisu und seine Frau hatten ebenfalls gerade eine Tochter bekommen, das vierte Kind. Aber sie waren darüber alles andere als glücklich. Die Kleine war nicht normal, sie war mongoloid – Nelly zuckt bei diesem abfälligen Ausdruck zusammen. Lorenza hat ständig geweint, Giacomo war außer sich, sie hatten sie weder taufen lassen noch irgendjemandem im Dorf gezeigt. Sie schämten sich. Dann kam der Abend, an dem die Eltern der kleinen Schweizerin das Lösegeld bezahlen und ihre Kleine wiederbekommen sollten. Eine völlig überzogene Summe, aber das wusste er damals noch nicht. Er sollte es erst in den Zeitungen lesen, als er bereits im Gefängnis saß und Gavino tot war ...
Nelly hört ihm mit angehaltenem Atem zu. Sie unterbricht ihn kein einziges Mal, nur der Husten zwingt Panni hin und wieder zu einer Pause.
Giacomo hatte bereits alles für die Flucht vorbereitet, doch niemand wusste davon. Er hatte gesagt, er wolle aufs Festland fahren, um Geld anzulegen, eine ganz normale Geschäftsreise, und stattdessen hat er sich heimlich darauf eingestellt, uns zu verraten und zu verschwinden. An jenem Abend ist er losgegangen, um das Lösegeld zu holen, niemand war
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