Der Fluch vom Valle della Luna
angetan?«
Sanft machte sie sich von ihm los. Sie hatte nicht die geringste Lust, über Basile oder die Arbeit zu reden.
»Dieser arme Kerl verliert über der Sache mit Filippo De Magistris noch den Verstand. Er hat sich in den Kopf gesetzt zu beweisen, dass Filippo unschuldig ist, und möchte mich davon überzeugen, dass Maria Grazia Pisu und ihr Schwager ein Liebespaar sind und deshalb Marilena aus dem Weg geschafft haben, um freie Bahn zu haben und ihr Geld zu verjubeln. Und der arme Sogos-Spross soll als Sündenbock herhalten. Was für ein Irrsinn.« Sie schmiegte sich an ihn.
»Möglich. Jedoch momentan nicht zu beweisen.« Er küsste sie, und Nelly vergaß Basile, Filippo, die Sogos und alle Verdammten dieser Welt.
Nach den von einem kräftigen Sangiovese begleiteten Nudeln, den Erdbeeren mit Eis, dem Espresso und dem Sex lag Nelly an Tanos Brust, und er fuhr ihr mit den Fingern durch die widerspenstigen Locken. Mit einemmal kam ihr wieder der unangenehme Eindruck in den Sinn, auf dem Weg zu ihm verfolgt worden zu sein, und sie erzählte ihm davon.
»Wer könnte das sein?«, fragte Tano ernst, denn er wusste, dass Nelly in solchen Dingen alles andere als hysterisch war. »Womit befasst du dich gerade? Dem toten Rentner in der Via del Molo?«
»Ja, aber der Pizzi-Fall ist für mich noch alles andere als abgeschlossen.«
Er sah sie nachdenklich an.
»Als du das zweite Mal in der Gallura warst, hast du die Sogos-Brüder gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, wer Filippo in Schwierigkeiten bringen will?«
Nelly ließ die Fingerspitzen durch Tanos Brusthaar gleiten.
»Denen ist dazu nichts eingefallen. Wie denn auch, die wissen ja nichts von dem Jungen und von seinem bisherigen Leben. Natürlich gibt es einen Haufen Gründe, weshalb Magraja und Romeo Pizzi daran gelegen sein könnte, Marilena aus dem Weg zu schaffen. Doch aus der Art und Weise, wie Filippo ein Bein gestellt worden ist, müsste man schließen, dass sie über die ganze Geschichte im Bilde sind. Dass sie wussten, dass Magraja in Wirklichkeit Annabelle Simon ist und dass Giacomo seine Komplizen übers Ohr gehauen und die eigene Tochter durch sie ersetzt hat. Und sie hätten Filippos Schlüssel und die Fotos in Sardinien klauen müssen. Zudem glaube ich, dass die Unglücksfälle der Pisus alle den gleichen Ursprung haben. Und das würde bedeuten, dass Magraja alles wusste und mit Romeo Pizzis Beihilfe den alten Giacomo und danach Anselmo und Alceo aus dem Weg geräumt hat ...«
»Die Pisus und ihr ganzer Irrsinn können mich mal«, murmelte Tano, schob seine Hand sanft zwischen Nellys Schenkel und legte ihr logisches Denkvermögen mit einem Schlag lahm.
Nelly wälzt sich neben dem leise schnarchenden Tano hin und her. Sie schläft, doch ihre Augen zucken unter den Lidern und folgen beunruhigenden Bildern.
Sie ist in einem halbdunklen Zimmer. Sie sieht düstre, schwere Möbel. In einer Ecke die Wiege. Ein Schleier verdeckt das Kind, das darin liegt und weint. Ein verzweifeltes Weinen, auf das niemand reagiert. Keiner kommt, um nachzusehen und es zu trösten. Irgendwann hört das Kind auf. Offenbar ist es eingeschlafen. Plötzlich fliegt die Tür auf, und Lorenza Pisu kommt aufgebracht herein. Nelly weiß, dass sie es ist, auch wenn sie der alten, bettlägerigen Frau kein bisschen ähnelt. Sie ringt weinend die Hände.
»Ich will nicht, ich will nicht. Das können wir nicht tun, ich will nicht.«
Sie spricht mit Giacomo, der auch ganz anders aussieht als der alte Mann, den Nelly auf Fotos gesehen hat. Er packt sie bei den Armen und drängt sie grob gegen die Wand.
»Es wird gemacht, was ich sage, verstanden? Jetzt reicht’s, hör mit dem Geflenne auf. Raus hier.«
Die Frau versucht sich zu befreien. »Nein, nein, ich bitte dich, nein!«
Giacomo verpasst ihr einen derart heftigen Fausthieb, dass ihr Kopf nach hinten schlägt. Lorenza sackt zu Boden. Er zieht sie hoch wie einen Sack und zerrt sie aus dem Zimmer. Nelly steht der kalte Schweiß auf der Stirn, der Albtraum erscheint ihr immer realer. Die Tür, die soeben hinter Giacomo zugegangen ist, öffnet sich leise knarrend wieder. Er kommt als Erster herein, gefolgt von einer schwarzgekleideten Gestalt. Sie trägt ein schwarzes Kopftuch und hält den Blick gesenkt. Eine Frau.
»Mach deine Arbeit, und beeil dich!« Die Frau nickt und holt eine Art Hammer aus ihrer Tasche. Nelly erstarrt. Sie weiß, was jetzt passiert. Die Accabadora ist gekommen. Vergeblich versucht sie zu
Weitere Kostenlose Bücher