Der Fluch vom Valle della Luna
war ein harter, ehrgeiziger Mann. Er wollte immer und um jeden Preis gewinnen. Brillant und äußerst unangenehm. Seine Kanzlei gehört zu den angesehensten der Stadt. Seine letzten Mandanten waren in eine heikle Sache verstrickt, das Verfahren beginnt bald, bestimmt hast du davon gehört: Es geht um den Skandal bei der Global-Bank. Die Sache mit den amerikanischen Subprime-Krediten. Ob das Betrug seitens der Bankführung war oder nicht und ob für das Verschwinden dieser Milliardenbeträge ein zynisches, betrügerisches Schicksal verantwortlich ist oder ob sie irgendjemandem in die Tasche gewandert sind. Einer Partei beispielsweise. So zumindest lautet die Anklage.«
»Scheiße.«
»Du sagst es, meine Liebe.«
Langsam dämmerte es Nelly, weshalb Luca beim Thema Anselmo so zurückhaltend war. Doch wieso sollten sie den Verteidiger eines Verfahrens umbringen, das noch gar nicht begonnen hatte?
»Und du meinst, zwischen dem Verfahren und Pisus Tod könnte es einen Zusammenhang geben?«
Sie waren beim Kaffee angelangt, und Luca nippte entspannt zurückgelehnt an seiner Tasse.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es erstaunt mich, dass die Pisus die Drohbriefe nicht umgehend der Polizei übergeben haben. Womöglich hätte das nichts gebracht, aber vielleicht doch ...«
»Anselmo war wohl entschieden dagegen. Sandra hat mir gesagt, er hätte sie gar nicht ernst genommen.«
Luca verzog den Mund. »Typisch für Anselmo Pisus Arroganz.«
»Das Merkwürdige ist, dass alle Angehörigen diese Drohungen bekommen haben, nicht nur er. Wenn man ihn damit einschüchtern wollte, mal abgesehen davon, dass er deinen Schilderungen nach nicht der Typ scheint, der sich leicht einschüchtern lässt, wieso hat man sie ihm nicht direkt geschickt, und nur ihm? Was meinst du?«
Luca stellte die Tasse ab und winkte dem Kellner. Dauernd diese Ausweichmanöver! Er bestellte einen Cointreau, sie einen Sambuca. Nelly konnte sich nicht mehr entspannen. Von wegen nettes Wiedersehen. Was sie am meisten verblüffte, war Lucas Distanziertheit, seit er erfahren hatte, dass Sandra etwas damit zu tun hatte.
»Luca, fürchtest du vielleicht, Sandra könnte einer heißen Sache auf der Spur sein? Dass sie an der Global-Bank dran und deshalb auf mich zugekommen ist?«
Sein Gesichtsausdruck verriet, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. Auch wenn er sich nicht sicher war, hatte Luca den Verdacht, Sandras Interesse könnte nicht allein familiärer Natur sein.
»So wie ich die Dodero einschätze, würde sie für eine brandheiße Geschichte ihre eigene Mutter verkaufen. Und diese Angelegenheit hat es wirklich in sich, verstehst du, Nelly? Wenn ein Journalist darin herumstochert ...«
»Du irrst dich, Luca. Sandra ist nicht so.«
Luca lächelte sie an, sah zur Decke und fuhr sich mit den langen, gepflegten Fingern durchs graue, nicht mehr ganz dichte Haar.
»Vielleicht tue ich ihr wirklich unrecht. Aber manchmal trifft man doch den Nagel auf den Kopf.« Er griff nach ihrer Hand auf dem Tisch, während sie an ihrem Sambuca nippte. Ohne die Hand zurückzuziehen, sah Nelly ihm ernst in die hellen Augen.
»Von mir hat Sandra nie etwas erfahren, was sie nicht wissen sollte, und das wird auch so bleiben. Und außerdem habe ich nicht die geringste Lust, meine Nase in Angelegenheiten zu stecken, die mich nichts angehen, Luca. Ich hoffe, das weißt du.«
Sein zerknirschtes Jungengesicht machte ihn wieder sympathisch.
»Ich halte dich doch nicht für einen Maulwurf, Gott bewahre. Ich habe dich nur gewarnt, das ist alles. Und jetzt lass uns zu persönlicheren Dingen übergehen. Bist du noch immer mit diesem Seefahrer zusammen?«
Die Bezeichnung ließ Nelly schmunzeln.
»Mit diesem Seefahrer, ganz genau. Und wie geht es bei dir und Maria Antonia? Bei Anselmo Pisus Beisetzung habe ich sie nicht gesehen.«
»Wir führen getrennte Leben. Wir sollten uns endlich ein für alle Male entscheiden, aber am Ende ist es nicht so einfach. Ich ...«, er sah sie fast entschuldigend an, «habe eine ernste Beziehung. Sie ist Anwältin, geschieden, siebenunddreißig Jahre alt. Gut möglich, dass sich da in nächster Zeit was tut. Vielleicht kennst du sie, Fiorenza De Mattei, sie arbeitet in Pisus Kanzlei und war auch bei der Trauerfeier. Sie drängt mich natürlich zur Scheidung, möchte, dass wir zusammenleben. Kinder, ein neuer Anfang ...«
Einen Augenblick lang starrte Nelly ihn mit offenem Mund an. In seinen grauen Augen lag ein altbekanntes Leuchten, das sie seit
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