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Der Fluch vom Valle della Luna

Der Fluch vom Valle della Luna

Titel: Der Fluch vom Valle della Luna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
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derweil eine zweite Nelly irgendwo in einer Ecke saß und sich um ihren eigenen Kram scherte.
    Drei Uhr nachmittags, und es war ihr bisher gelungen, Tano aus dem Weg zu gehen, der allerdings ebenfalls keinerlei Anstrengungen unternommen hatte, ihr zu begegnen. Vielleicht bereute er es, mit Anita Schluss gemacht zu haben. Oder vielleicht erwartete er, dass sie mit fliegenden Fahnen zu ihm ins Büro und in seine Arme stürzte. Da kannst du lange warten, ich habe was ganz anders im Kopf als deine verquasten Liebesabenteuer, mein werter Chef. Und tatsächlich ließen ihr die Ereignisse der vergangenen Tage keine Ruhe. Die Verdammten war der Spitzname, den sie den Pisus nach dem Zusammentreffen mit Giancarlo gegeben hatte. Nellys Doppelgängerin hockte gerade gemütlich auf der Fensterbank und sann über die merkwürdige Atmosphäre in der Turmwohnung nach – noch eine von Nellys Bezeichnungen, um das Spukschloss der Pisus zu benennen –, als Tano das Büro betrat und die Tür hinter sich schloss.
    »Ich muss mit dir reden, Nelly. Lass uns heute Abend essen gehen.« Ein Fragezeichen gab es nicht. Sie starrte ihn mit offenem Mund an, derweil die andere Nelly rasch zurück in ihren Körper schlüpfte. Am Ende ist Giancarlo Pisu nicht der Einzige, der hier schizophren ist.
    »Das fände ich total schön«, flötete sie und fühlte sich blöd. »Aber heute Abend habe ich schon was vor.«
    Tanos Gesicht war fahl und angespannt. Er machte weder Anstalten, sich zu setzen, noch zu gehen.
    »Dann morgen Abend. Ganz egal. Um acht hole ich dich ab.«
    »Ich ...« Nelly wollte noch sagen, dass das keine gute Idee sei, doch ihr anderes Ich knuffte sie mit dem Ellenbogen in die Seite. Sie wollte nicht mit Tano sprechen. Und sie wollte ihn schrecklich gern sehen. Die wenigen Sekunden, die dabei draufgingen, reichten ihm, um zur Tür zu gehen und zu verschwinden. Vielleicht ist es besser, wenn wir uns sehen und das eine oder andere klären. So kann es schließlich nicht weitergehen. Aber wie sonst?
     
    An diesem Abend ging Nelly rechtzeitig nach Hause, um sich für ihre Verabredung zurechtzumachen. Sie kam nicht besonders oft in ein so schönes Lokal wie das Terrazze del Ducale und deshalb zog sie etwas Besseres aus ihrem spärlich bestückten Kleiderschrank, eine lange Jacke plus passender Hose aus schwarzer Seide. Nicht dass sie auf Luca Eindruck machen wollte, Gott bewahre. Ihre Affäre lag schon so lange zurück, dass sie inzwischen fast unwirklich erschien. Es war überhaupt nur dazu gekommen, weil Roberto, ihr Lebensgefährte und Vater von Maurizio, während eines Einsatzes getötet worden war und sie sich einsam und verzweifelt fühlte. Luca war Robertos bester Freund gewesen. Eine vorhersehbare und ein wenig trübe Geschichte, noch dazu, weil er verheiratet und sie mit seiner Frau befreundet war. Damals war ihr das vollkommen schnuppe gewesen. Heute bedauerte sie ihre jugendliche Rücksichtslosigkeit. Schmerz hin oder her, die Gefühle anderer gehörten nicht mit den Füßen getreten. Luca hatte die Entschuldigung, verknallt zu sein. Sie war es nicht. Als ihr klar wurde, dass seine Ehe kurz vor dem Aus stand, machte sie einen Rückzieher. Sie hatte ihn ohne ein Wort verlassen.
    Obwohl ich ihn so behandelt habe, ist Luca mein Freund geblieben. Wenn er sich mir gegenüber so verhalten hätte, hätte ich bestimmt nicht mehr mit ihm geredet. Seufzend schlang sie sich den bunten Wildseidenschal um den Hals, den Carlo ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Gold, Orange, Rot und Türkis, er war wunderschön. Sie streichelte ihn und hatte das Gefühl, Carlo stünde hinter ihr und umarmte sie, genau wie an jenem Abend, als er ihn ihr umgelegt hatte. Nur dass er Tanos Augen hatte. Sie schüttelte den Kopf und tupfte sich ein wenig Chanel No.5 auf. Ein Klassiker, nichts Besonderes, aber wirkungsvoll. Und außerdem habe ich nie behauptet, besonders originell zu sein, geschweige denn perfekt. Sie schlüpfte in ihren eleganten Mantel und verließ in Vorfreude auf das Abendessen das Haus. Seit sie ohne ihren Sohn lebte, befielen sie Teenagersehnsüchte nach Abenteuer und Freiheit oder zumindest – wie heute – nach einem Abend, der anders war als die anderen. Ihr übergroßes mütterliches Pflichtbewusstsein Mau gegenüber hatte sich gelegt, die Frau in ihr kam wieder zum Tragen und überraschte sie mit Wünschen, Sehnsüchten und Interessen, die sie schon als passé abgetan hatte. Ob das der Anfang der Menopause ist? Soll sie doch kommen,

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