Der Fluch vom Valle della Luna
und wir können mit den Ermittlungen fortfahren. Übrigens, wussten Sie, dass das ein Krimi wird? Vielleicht war der Mord ein Werbegag, um den Film zu promoten.«
Ihre schwarzen Augen funkelten belustigt, und Nelly musste grinsen.
»Wir werden auch in diese Richtung ermitteln.« Ermitteln, pah! Das Einzige, was ich im Moment tun kann, ist, auf einen glücklichen Zufall zu hoffen.
Die beiden Frauen verabschiedeten sich mit dem Versprechen, einander auf dem Laufenden zu halten.
Antonella Pasqui hatte die Situation sofort überrissen und machte es ihren Mitarbeitern einfach. Sie dachte mit und mischte sich in die Ermittlungen so wenig wie möglich ein. Wären doch alle so wie sie.
Gerade hatte Nelly die Haustür aufgeschlossen, als ihr Handy klingelte. »Tano« stand auf dem Display. Auf Nellys Stirn erschien eine steile Falte.
»Was ist?«
»Wo bist du?«
»Ich komme gerade nach Hause.«
»Können wir reden? Bitte. In fünf Minuten bin ich da.«
»Das ist keine gute Idee.«
»In fünf Minuten.« Das Handy erlosch. Wütend schmiss Nelly es in die Tasche zurück und ging die Treppe hinauf. Wofür hält der sich, verdammt noch mal! Der Zorn, der sich im Laufe des Nachmittags gelegt hatte, flackerte wieder auf. Sie würde es Tano nicht leicht machen.
Ein paar Minuten später klingelte es. Nelly drückte auf den Türöffner und ließ die Wohnungstür angelehnt. Sie ging ins Bad, um sich die Haare zu bürsten, warf einen Blick in den Spiegel, glosste sich die Lippen, verzichtete auf einen Spritzer Parfüm – nur nicht übertreiben – und hörte, wie die Wohnungstür sich öffnete und wieder schloss. Befangen wie ein Pennäler stand Tano im Eingang. Fast musste sie lachen, doch sie sah ihn nur wortlos an, den Kopf abwartend zur Seite gelegt. Er räusperte sich.
»Darf ich reinkommen oder muss ich wie ein Büßer auf der Schwelle stehen bleiben?«
Das war nicht der Ton, den sie erwartet hatte. Nellys Blick wurde hart.
»Komm schon, Nelly, sparen wir uns diese blöden Psychospielchen. Ich leide so schon genug, und das weißt du.«
Nelly fühlte sich plötzlich unendlich müde, die Spannung wich, und alles erschien ihr lächerlich und sinnlos: er, sie, die ganze Geschichte. Sie nickte Richtung Wohnzimmer. Tano zog sich den schwarzen Mantel aus und warf sich in einen Sessel. Nelly griff sich die Flasche Four Roses und zwei Gläser von der Kommode, schenkte jedem zwei Finger voll ein und hielt ihm ein Glas hin. Abwartend und beklommen saß sie da. Er schien zu ahnen, was sie empfand, und schüttelte mutlos den Kopf.
»Es tut mir leid. Freitagabend war ich enttäuscht, weil ich dich nicht sehen konnte, und bin nach Camogli gefahren, um meinen Freund Lucio Moresco zu besuchen. Er hat sich vor kurzem getrennt, es war kein lustiger Abend. Vorhin im Büro war ich gereizt, weil alles so beschissen läuft und auch wegen Volponi, der mir mit seinen Geheimdienst-Spielchen auf die Nerven geht. Ein echter Scheißtag eben, und ich hab überreagiert. Ich weiß, was ich gesagt habe, war total daneben. Entschuldige bitte, ich habe es nicht so gemeint«, schloss er mühsam. Er sah sie an und drehte das Glas zwischen den Händen. Dann stürzte er dessen Inhalt in einem Zug hinunter. Nelly musterte ihn und trank einen kleinen Schluck, der ihr seltsam bitter erschien.
»Das, was du über Beziehungen am Arbeitsplatz gesagt hast ... Vielleicht hast du recht. Vielleicht ist es besser ...« Doch Tano war schon aufgesprungen, hatte sich vor sie hingekniet und sie in die Arme geschlossen.
»Es wäre nicht besser. Es wäre eine Katastrophe. Vergiss, was du sagen wolltest, ich bitte dich.«
Er drückte sie an sich, küsste ihr Haar, wiegte sie sanft, und allmählich wich die dumpfe Ernüchterung einer tiefen Wärme. Nellys Finger fuhren durch Tanos Haar, sie nahm sein Gesicht zwischen die Hände und suchte mit geschlossenen Augen seine Lippen, taub und blind gegen alle Warnungen und weisen Ratschläge des Gewissens.
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1 (lat.) Den Reinen ist alles rein.
XII
Noch nie war er in Nellys Wohnung aufgewacht. Bisher war sie immer zu ihm gekommen. Tano öffnete die Augen und brauchte einen Moment, bis er wusste, wo er war. Die weißen Wände, der große Spiegel am Fußende des Bettes, das Licht, das durch die Fensterläden fiel, ihr Duft. Er drehte sich zu ihr um, wie sie neben ihm lag, sich träge räkelte, erwachte – und es erschien ihm die natürlichste Sache der Welt. In dem Moment blinzelte Nelly, und auf ihrem Gesicht
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