Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
Frauen, die im Lauf der Generationen in diesem Haus gelebt haben.«
»Und was ist mit den Männern? Und mit den Kindern, die gestorben sind?«
Er bewegte langsam den Kopf von einer Seite zur anderen.
Katherine
»Für sie kannst du nicht sprechen. Das müssen sie selbst tun. Wenn wir das Haus mit Liebe füllen, können wir ihnen dabei helfen.«
Katherine
Joss schüttelte den Kopf. Sie spürte ihn wie einen heftigen Druck in ihrem Trommelfell, den Namen der Frau, die er geliebt hatte: Katherine. »Was habt Ihr?« Plötzlich redete sie wieder mit ihm. »Was möchtet Ihr mir sagen?«
Es wurde dunkler im Zimmer; der Regen prasselte lauter gegen die Scheiben, und Joss merkte, wie ihre Aufmerksamkeit für einen Moment abgelenkt wurde. Dann veränderte sich fast unmerklich die Spannung im Raum, und er war verschwunden.
Einen Augenblick starrte sie auf die Stelle, wo er gestanden hatte, dann wirbelte sie herum. Natalie stand kaum einen Meter von ihr entfernt, beide sahen sich schweigend an.
Unkontrollierbar zitternd ließ sich Joss aufs Bett sinken. »Was war das?«
»Irgend etwas ist passiert in der Welt dort draußen, in der er lebt«, erklärte Natalie mit einem Achselzucken. »Die Energie hat sich entladen.« Sie setzte sich neben Joss auf das Bett und vergrub ihren Kopf in die Hände. »Wir hätten es beinahe geschafft. Wir hatten ihn erreicht – oder vielmehr, du hast ihn erreicht. Er hat uns zugehört.«
»Er hat versucht, uns etwas zu sagen…« Joss brach ab. Von oben war Kinderlachen zu hören.
»Nein! Nein, ich kann es nicht ertragen.«
Natalie nahm ihre Hand. »Zumindest sind sie glücklich, Joss.«
Joss glitt vom Bett und lief zur Tür. »Georgie? Sammy? Wo seid ihr?« Mit der letzten Kraft, die sie noch aufbringen konnte, rannte sie die Treppe hinauf und warf die Tür zum ersten leeren Speicherraum auf. »Wo seid ihr?« Tränen strömten ihr über die Wangen.
Es war sehr kalt hier. In der Stille hörte sie die Regentropfen gegen das Fenster schlagen. »Georgie? Sammy?«
Hinter ihr stand Natalie in der Tür.
Ein Windstoß fing sich im Dachgiebel, und in der Ferne hörten sie plötzlich ein Kind singen.
tum tum te tum te tum tum tum
Joss fuhr sich mit dem Ärmel über die Nase und starrte hilflos umher – der Klang kam aus weiter Ferne, ging fast unter im Wind.
tum tum te tum te tum tum tum
Sie machte einen Schritt in das Zimmer. Es war leer und kahl; Staub auf den Dielen, die alte, schäbige Tapete, ein feuchter Fleck an der Decke, den das Regenwasser dort hinterlassen hatte.
tum tum te tum te Ka-the-rine
Jetzt hörte sie es deutlich, von jenseits der Tür. Mit klammen Händen machte sie sich am Riegel zu schaffen, um ihn zu öffnen. Das Singen wurde lauter, deutlicher.
Es war die Her-rin Ka-the-rine
Der Gesang hallte über dem Heulen des Windes durch den nächsten Speicherraum.
Es war die Her-rin Ka-the-rine
Es war die Herrin Katherine
Langsam ging Joss auf den Klang zu. Er kam aus der hintersten Dachkammer.
Die traurige kleine Weise klang in ihren Ohren nach, während sie den Schlüssel ertastete und die Tür aufschloß. Als sie sich knarzend öffnete, brach der Gesang abrupt ab.
»Wo seid ihr?« schrie sie. Vor Tränen war sie fast blind.
»Joss.« Natalie war leise hinter sie getreten. »Gehen wir wieder nach unten.«
»Nein«, widersprach sie heftig. »Nein, ich muß sie sehen! Wo sind sie?«
»Sie sind nicht hier, Joss …«
»Doch, das sind sie. Sie singen von Katherine. Kannst du sie nicht hören?«
»Doch, ich höre sie.« Natalie legte Joss einen Arm um die Schulter. »Komm mit nach unten. Wenn sie uns etwas sagen wollen, werden sie das schon tun.«
Joss schluchzte auf. Sie zitterte noch immer hilflos. »Ich kann nicht mehr.«
»Doch, du kannst. Du machst das sehr gut. Komm mit nach unten, in die Wärme, und wir reden darüber.« Mit einem festen Griff schob sie Joss sanft den Gang entlang zur Treppe.
Es war die Herrin Katherine
Das kleine Lied erklang aus der Ferne, zunehmend von Wind und Regen überlagert.
Natalie drückte Joss’ Arm. »Achte nicht darauf. Wenn sie wollen, werden sie schon kommen.« Sie führte Joss ins Schlafzimmer und machte die Nachttischlampe an. Im warmen Schein sah sie, daß Joss’ Gesicht verquollen war vor Kummer und Tränen.
Joss legte sich schützend die Arme vor die Brust. »Du hast gesagt, ich trage sein Kind«, flüsterte sie. »Du hast gesagt, es wäre seine Tochter …«
»Ich habe metaphorisch gesprochen, Joss.«
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