Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
wenig in die Breite gegangen war; der Mann, der einst so anziehend gewesen war, daß er jede Frau Englands bekommen hätte, war jetzt ihr Sklave und ihr derart ergeben, daß er der Mutter seiner kleinen Geliebten jeden Wunsch erfüllte.
Sie sah zum Bett, wo zwei verängstigte Hebammen das schweißgebadete Gesicht ihrer Tochter abtupften, lächelte wieder und schüttelte entschlossen den Kopf.
Obwohl er sich nur wenige Meilen entfernt aufhielt, durfte er noch nicht gerufen werden. In diesem Zustand sollte er Katherine nicht sehen. Sie war häßlich, sie roch abstoßend, sie kreischte und zerrte an den Bettlaken und schrie Obszönitäten, die vielleicht in eine Londoner Taverne gepaßt hätten, sich aus dem Mund eines hochgeborenen Mädchens von siebzehn Jahren aber widerlich anhörten.
Wenn erst das Kind geboren war – die Tochter, der kostbare, hübsche Schatz, der die Zuneigung des Vaters fesseln würde –, dann konnte er kommen. Dann durfte er Katherine, gewaschen, ausgeruht, nach Blütenwasser und Parfüm duftend, mit Gold und Edelsteinen und feinen Seiden überhäufen und seinem Kind Rasseln aus Elfenbein und Perlen aus Korallen schenken.
Katherine!
»Nein!« Joss warf sich aufs Bett, um sich ihm zu entziehen, sie zog die Knie an und ließ sich auf der anderen Seite zu Boden fallen. Über das Bett hinweg keuchte sie: »Ich bin nicht Katherine! Könnt Ihr das nicht sehen! Katherine ist tot! Ihr seid tot!« Sie schluchzte verzweifelt. »Bitte! Die Verbindung ist durchtrennt. Margarets Bann ist gebrochen, alles ist vorüber. Ihr seid endlich frei von ihr. Versteht Ihr das nicht? Es ist vorbei! «
Er war nicht mehr näher auf das Bett zugetreten. Lange Zeit blieb er stehen und sah sie an, oder durch sie hindurch; dann hob er seine Hand langsam zur Taille, und nun erst bemerkte sie, daß er unter dem langen, dunklen Umhang ein Schwert trug. Lautlos zog er es aus der Scheide.
»Nein«, kreischte sie. »Gütiger Gott, nein! Habt Ihr mich nicht gehört? Bitte …« Sie ging rückwärts vom Bett zu den Fenstern, von denen aus man in den Garten sah, setzte langsam einen Fuß hinter den anderen; ihr Magen war zugeschnürt vor Grauen und Entsetzen. »Bitte…«
»Ach, bedroht der große König, die Sonne Yorks, hilflose Frauen mit einem Schwert?« Natalies Stimme, die von der Tür her erklang, war heiser und angsterfüllt. »Willst du sie töten? Willst du dein Schwert gegen eine Frau erheben, die ein Kind trägt? Dein Kind!«
Sie ignorierte Joss’ Aufschrei. »Steck dein Schwert weg. Du hast hier keine Feinde mehr. Für dich ist hier kein Platz. Dies ist nicht deine Zeit!«
Joss taumelte rückwärts gegen die Wand, die Arme vor der Brust verschränkt, dann plötzlich gaben ihre Beine nach, und sie sank mit einem Schluchzen in die Knie.
Natalie trat in den Raum. »Steck dein Schwert weg! Du kannst sie nicht verletzen. Sie bedeutet dir nichts, begreifst du das nicht? Gar nichts. Sie gehört zu einer anderen Welt. Laß sie gehen! Laß sie und ihre Familie in Ruhe. Du mußt Belheddon verlassen. Die Zeit ist gekommen. Es wird Zeit, daß du gehst.«
Die Schwertspitze begann zu zittern und bewegte sich dann langsam nach unten. Gebannt sah Joss zu. Es sah so echt aus. Sie konnte das Glitzern des Stahls sehen, als seine Hand zur Hüfte sank.
Katherine
»Katherine wartet auf dich.« Plötzlich war Natalies Stimme ganz sanft. »Laß deine Tochter leben! Ich passe auf sie auf.«
Sie ließen das Gesicht des Mannes nicht aus den Augen. Der Schmerz und die Wut, die sich in jede Falte eingegraben hatten, waren deutlich zu erkennen, ebenso wie sein samtbesetzter Kragen unter dem Brustschild und die Kordeln, die den Umhang zusammenhielten.
»Laß ihn gehen, Joss«, murmelte Natalie. »Setz ihn frei.«
»Was meinst du?« Joss sah ihm immer noch fasziniert zu.
Er hatte die Hände nach ihr ausgestreckt; das Licht spiegelte sich trübe in dem großen Rubinring an seinem Zeigefinger.
»Gib ihm deinen Segen und deine Liebe …«
»Meine Liebe!« rief Joss voll Abscheu.
»Das hilft ihm zu gehen. Schick ihn fort in Liebe und Frieden.«
»Und was ist mit den Leuten, die er umgebracht hat?« Ohne es zu wollen, sah sie ihm in die Augen. Der Zorn in ihnen war verschwunden, nicht aber der Schmerz.
»Sie werden auch frei sein. Liebe heilt, Joss! Liebe und Vergebung. Du bist ihre Fürsprecherin, du mußt ihm verzeihen im Namen all der anderen Frauen – deiner Mutter, deiner Großmutter, deren Mutter und all der anderen
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