Der Fluch von Colonsay
Klein, langhaarig, trägt eine Haarschleife.« Er runzelte die Stirn, als er ihre Gesichter sah. »Was habe ich gesagt?«
Rosamund schüttelte den Kopf. »Nichts. Wir haben schon versucht, ihn einzufangen. Ein Streuner.«
Mark nickte, sah aber immer noch misstrauisch aus. »Also dann, gute Nacht.« Als er an ihr vorbeiging, beugte er sich vor und küsste Rosamund auf die Wange, als ob alles zwischen ihnen in Ordnung sei. Sie war über seine Arroganz so verblüfft, dass sie nicht reagieren konnte.
Kerry ging in die Küche, um den Geschirrspüler in Gang zu setzen, und lehnte alle Hilfsangebote ab.
Gary lehnte sich in einem Sessel zurück und sah Rosamund an. »Was war das?«
»Mark benimmt sich einfach so wie immer. Typisch für ihn.«
»Er scheint zu denken, er braucht nur zu pfeifen und du springst.«
Rosamund rutschte unbehaglich hin und her.
»Ich habe mir vorhin Sorgen um dich gemacht, Rose. Trinkst du immer so viel?«
»Tut mir leid.«
Er sah ihr nachdenklich ins Gesicht. »Ist das mit euch beiden wirklich vorbei? Er ist nämlich ein ziemlich widerwärtiger Kerl. Rose. Das solltest du wissen.«
»Gary, was auch immer du von Mark halten magst – ich weiß einfach, dass er mich nie verletzen würde.«
»Vielleicht hat Ambrosine das von Cosmo auch gedacht.«
Rosamund zuckte zusammen. »Erwischt. Das waren aber doch ganz andere Zeiten damals, Gary. Eine Frau in Ambrosines Stellung hätte ihren Mann nie verlassen können, ohne einen großen Skandal hervorzurufen. Vor allem, wenn der Gatte so einflussreich war wie Cosmo. Vielleicht erschien es ihr einfacher, im Unglück zu leben.«
Gary fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Ich weiß nicht, Rose.« Er klang nicht besonders überzeugt. Dann neigte er sich vor, griff nach dem Buch über Marling und blätterte darin. Auf einmal schnappte er nach Luft.
»Gary, was ist los?«
Er war ganz blass geworden. »Das ist der Mann, den ich damals in dem Sessel sitzen sah, in dem du jetzt sitzt. Der graue Mann, der Geist. Es war Henry Marling.«
Rosamund beugte sich vor, um die Abbildung zu betrachten. Henry Marling war ein gut aussehender Mann. Er schien ihr zuzuzwinkern. »Wir wissen, dass er ein enger Freund Cosmos war. Er besuchte Colonsay bestimmt häufiger.«
»Rose.« Gary knallte das Buch zu. Sie konnte sehen, dass ihm eine Idee gekommen war. »Marling porträtierte Ambrosine. Hier in Colonsay. Ein gut aussehender und intelligenter Mann. Was fällt dir dazu ein?«
Rosamund sah verblüfft aus. »Er war Ambrosines Liebhaber?«
Gary nickte. »Cosmo hat es herausgefunden. Vielleicht hat sie ihm auch gesagt, dass sie ihn verlassen will. Da ist er ausgerastet.«
»Glaubst du wirklich, das ist es, was damals geschehen ist?« Rosamund sank in sich zusammen. Traurigkeit überkam sie, wie so oft, wenn sie zu viel getrunken hatte.
»Vielleicht sollte ich lieber darüber ein Buch schreiben«, meinte Gary spaßhaft.
Rosamund richtete sich wieder auf. »Nur als Coautor. Ich habe Sue Gibbons bereits erzählt, dass ich ein Buch über Ambrosine und Cosmo schreibe.«
Gary kicherte. »O ja, wir machen gemeinsame Sache.« Dann wurde er wieder ernst.
»Rose, schau, es tut mir leid, dass ich dir von der anderen Geschichte nichts erzählt habe. Dass du es von Mark erfahren musstest. Ich wollte es dir sagen. Aber es kam mir so falsch vor, dass ich dieses Buch überhaupt auch nur eine Sekunde lang in Betracht gezogen habe. Ich hatte mich damals bereits entschlossen, das Angebot abzulehnen.«
»Und wenn ich immer noch das mürrische Mädchen aus deiner Kindheit gewesen wäre – hättest du es dann geschrieben?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bemühe mich stets, niemanden vorschnell zu verurteilen. Weil ich selbst nämlich nicht perfekt bin.«
»Das würde ich nicht so sehen.«
Sein Lächeln wärmte ihr Herz.
»Geh ins Bett. Morgen kommt Zephyr, falls du das vergessen haben solltest.«
»O Gott, habe ich wirklich.«
Zögernd folgte Rosamund ihm zur Eingangstür.
»Ich wünschte, du müsstest nicht gehen«, wisperte sie.
Er schlang die Arme um sie und küsste sie ausgiebig. »Bis morgen.«
Er war schon auf dem Weg zum Auto, als sie sagte: »Ich vertraue dir, Gary.« Zu Mark hatte sie das nie gesagt.
»Danke.«
Sie sah ihm zu, wie er in den Wagen stieg und wegfuhr. Die Luft war frisch und belebend. Besser als starker Kaffee.
***
»Ich will nach Hause«, schluchzte Meggy. Ihre Augen waren rot gerändert, und ihr Haar war völlig zerwühlt. »Ich will
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