Der Fluch von Colonsay
sie schließlich hervor.
Mrs Gibbons Lippen begannen zu zittern, Tränen strömten ihr über die eingesackten Wangen. »Das Schwert an der Wand, in der Bibliothek. Von den ehemaligen Soldaten. Damit hat er sie niedergemacht.«
»In Stücke gehauen wie seine verdammten Zwiebeln!« Mehr brachte Meggy nicht heraus.
Alice fehlten die Worte. Was sie gerade gehört hatte, raubte ihr fast die Sinne. Madam war tot. Von Cosmo umgebracht. Wegen Mr Marling. Er hatte sie aufgrund von Alice’ Anschuldigungen getötet.
Alice’ Saat war in einer Weise auf fruchtbaren Boden gefallen, die ihr nie in den Sinn gekommen wäre. Madam tot. Keine vorgezogenen Vorhänge mehr, keine Kopfschmerzen. Kein Rückzug mehr ins Schlafzimmer, wenn sie ihren Sohn von der Schule heimholen sollte, die er hasste. Keine schönen Kleider und Schuhe mehr, die ihre Schönheit für Mr Marling hervorheben sollen, während Bertie leidet. Keine Ambrosine mehr.
Ich bin froh darüber.
Die Worte zogen ihr ganz leise durch den Sinn. Bertie war tot, und so schien es doch nur gerecht, dass Ambrosine dasselbe Schicksal erlitten hatte? Ich bin froh darüber. Trotzdem, den Schrecken über die Tat konnte sie nicht abschütteln. Und Cosmo – was würde mit ihm geschehen? Auf diese Frage brauchte Alice dringend eine Antwort. Sie fand ihre Sprache wieder. »Erzählt mir, was geschehen ist.«
Die Köchin wischte sich mit der Schürze übers Gesicht. »Madam trank Tee im Empfangszimmer, mit ihm, mit dem Herrn. Sie haben sich angeschrien.«
»Er hat gebrüllt«, sagte Meggy und hob den Kopf. Sie sah alt aus. »Gebrüllt wie ein Wahnsinniger.«
»Dann ist er aus dem Zimmer gerannt und in die Bibliothek gestürzt. Als er da wieder herauskam, hielt er das Schwert in der Hand. Miss Ada stand auf der Treppe. Sie schrie, aber er achtete nicht auf sie. Vielleicht war sie ihm auch egal.« Sie hielt inne, rang nach Atem.
Meggy erzählte weiter, ihre Stimme kaum lauter als das Ticken der Küchenuhr.
»Er ging wieder zu ihr hinein und schloss die Tür. Sie flehte ihn an, Alice. Ich habe gehört, wie sie um ihr Leben gebettelt hat. Ihr Hund bellte. Aber auf einmal war alles ganz still. Dann schrie sie und schrie und schrie …«
Die entsetzliche Vorstellung von dem, was da geschehen war, verdunkelte ihre Augen. Alice musste sich abwenden. »Wo ist er jetzt?«, fragte sie die Köchin.
»Er hat sich ein Pferd geschnappt und ist auf und davon. Mr Kirkwood lässt ihn suchen.«
In der Eingangshalle erklangen Stimmen. Mrs Gibbons stand schwankend auf, stützte sich mit einer Hand an der Stuhllehne ab. Meggys Kopf fuhr herum, als die Tür aufging. Alice erkannte den Arzt. Neben ihm stand ein Fremder. Nicht der Dienstbote, den sie vor dem Haus gesehen hatte, sondern der Kleidung nach ein Gentleman. Er war blass, aber zielstrebig in seinem Handeln, wie Alice erkennen konnte.
»Mrs Gibbons«, sagte er ruhig zur Köchin. »Der Doktor möchte sich jetzt Mrs Cunningham ansehen. Wir tragen sie nach oben in ihr Schlafzimmer. Würden Sie bitte Wasser heiß machen?«
Es folgte eine unbehagliche Stille. Meggy bedeckte ihr Gesicht wieder mit den Händen. Schließlich nickte Mrs Gibbons, ihre Hand auf der Lehne öffnete und schloss sich, ohne Sinn und Zweck. Mr Kirkwoods Blick streifte Meggys gebeugten Kopf und blieb bei Alice hängen. Er runzelte die Stirn und legte seinen Mund in Falten.
»Wer bist du?«
Weder Mrs Gibbons noch Meggy waren gegenwärtig zu irgendwelchen Auskünften in der Lage, so antwortete Alice selbst. »Ich bin Alice Parkin, Sir, das Hausmädchen. Nachdem ich eine Zeit lang weg gewesen bin, sollte ich heute wieder anfangen zu arbeiten.«
Ihre klare, frische Stimme schien Mr Kirkwood zu beeindrucken. Er entspannte sich etwas, und in seinen Augen glomm ein Funke von Interesse auf. An den Arzt gewandt, fragte er: »Entspricht das der Wahrheit?«
Der Doktor sah schrecklich aus und hörte kaum zu. Er befand sich gezwungenermaßen in einer Lage, die ihm aufs Äußerste missfiel. »Sie heißt Alice Parkin«, brummte er. »Gehört zu den Dienstboten auf Colonsay.«
Kirkwood warf ihr noch einmal einen scharfen Blick zu und nickte dann. »Keiner verlässt das Haus«, sagte er. Das war ein Befehl. Dann fiel die Tür hinter ihnen zu.
Die Köchin sank wieder auf ihren Stuhl. »Aber er hat sie doch geliebt«, jammerte sie. »Ich verstehe das nicht. Er hat sie geliebt!«
Meggy begann laut zu heulen.
Alice sagte nichts.
Nur sie allein wusste, warum Cosmo seine Frau umgebracht
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