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Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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geliebt. Sie erinnerte sich an Adas Erzählungen. Ada hatte ihren Vater vergöttert.
    »Ohne meinen Vater wäre der Staatenbund nicht zustande gekommen«, hatte sie immer gesagt. »Cosmo Cunningham war mächtig und klug, eine Ausnahmeerscheinung in jener Zeit. Er gab Leuten wie Premierminister Barton Anweisungen, nicht umgekehrt.«
    Diese Geschichten hatten Rosamund überhaupt nicht interessiert. Die Vergangenheit war ihr reichlich egal gewesen. Ihr ganzes Denken und Fühlen galt der Gegenwart und der Zukunft, den Liedern, die sie singen würde. Ihre Stimme hatte das gewisse Etwas – das wurde ihr dauernd bestätigt. Der rauchige Schmelz brachte die ganze Tiefe ihrer Gefühle zum Ausdruck, was Rosamund mit Worten und Taten sonst eher misslang. Doch ihr Gesang kam aus ihrer Seele. Gestandene Männer weinten, wenn Rose Cunningham sang.
    Mark hatte nicht geweint, sich aber durchaus beeindruckt gezeigt. Sein Stern war gerade im Aufsteigen begriffen gewesen, als sie sich das erste Mal begegnet waren. Ein oder zwei Jahre später hätten ihn keine zehn Pferde mehr in diesen Pub gebracht. Und es war purer Zufall, dass Rosamund gerade an diesem Abend dort auftrat. Die erste Single ihrer Band hatte es kurz zuvor in die Charts geschafft und schoss regelrecht nach oben. Sie wollten ein Album aufnehmen und dann auf Tournee gehen, mit allem Drum und Dran. In jenem Pub hatte alles begonnen. Die freudige Erregung über das, was vor ihnen lag, und die Sehnsucht nach der vertrauten Umgebung brachten die Bandmitglieder dort zusammen.
    Der Pub war überfüllt, aber Mark blieb sitzen und hörte ihr über eine Stunde lang zu. Dann kam er zu dem Tisch, an dem sie mit dem Bassgitarristen und Dave saß, ihrem Manager und Freund. Mark erklärte, ihre Lieder würden seine Gefühle perfekt ausdrücken, und fragte, ob er ihr einen Drink spendieren dürfte.
    Dave erzählte ihr später, die Schwingung zwischen Mark und Rosamund sei so stark gewesen, dass sie quasi über der Menge schwebten. Er drückte es allerdings anders aus. »Wenn du mit ihm geschlafen hast, kannst du zu mir zurückkommen«, hatte er gesagt. Als ob eine gemeinsame Nacht mit Mark genügen würde, um ihr Verlangen zu stillen. Bereits damals war Rosamund klar gewesen, dass es um mehr ging als um körperliche Anziehung.
    Hatte die Entdeckung, dass sie ein Mitglied der berühmten Cunningham-Familie war, Marks Gefühle damals befeuert? Hatte er deswegen beschlossen, sie zu seiner Ehefrau zu machen? Rosamund war das völlig egal gewesen. Sie fand ihn einfach überwältigend und wollte ihn haben. Als sie sich entscheiden musste, fand sie es gar nicht schwer. Ihre Karriere war vorbei, und das machte ihr noch nicht einmal etwas aus. Mark war ihr Hauptgewinn. Sie genoss den neuen Lebensstil und erkannte erst nach und nach, dass sie mehr aufgegeben hatte als ihre Gesangskarriere.
    Rosamund blinzelte. Draußen war es fast dunkel, aber sie wollte kein Licht anmachen. Es gab einen Nähkasten in der Bibliothek, fiel ihr plötzlich ein. Er sah aus wie ein kleiner Beistelltisch, aber wenn man die Tischplatte umklappte, kamen darunter lauter Fächer zum Vorschein, in denen Ada ihr Nähzeug und andere Kleinigkeiten aufbewahrt hatte. Sie hatte immer mit einer besonderen Konzentration genäht, die eher an Entschlossenheit als an Vergnügen erinnerte. »Nähen zu können war zu meiner Zeit überaus wichtig für ein Mädchen«, hatte sie Rosamund erzählt. »Ich werde nie vergessen, was ich gelernt habe.«
    »Ich dachte, Cosmos Einstellung gegenüber Frauen wäre nicht so furchtbar altmodisch gewesen«, hatte Rosamund geantwortet.
    Ada hatte sie streng angesehen. Ihre Blicke konnten töten, wenn sie es darauf anlegte. »Das habe ich niemals behauptet, Rosamund. Er war ein herausragender Mann, und er konnte auch sanft sein. Keinesfalls glaubte er aber, dass sich Frauen wie Männer benehmen sollten.«
    Ada war für ihr Alter und ihre Gebrechlichkeit eine beeindruckende Erscheinung gewesen, und Rosamund war nie besonders mutig gewesen. Wie sollte sie auch, wenn jedes Fünkchen Widerstand von ihrer Großmutter sofort niedergeschlagen wurde? Ihre letzte Auseinandersetzung musste die alte Dame geschockt haben. Rosamund war jedenfalls geschockt gewesen. Doch sie hatte sich endlich frei gefühlt, für eine gewisse Zeit zumindest, und war ganz aufgeregt gewesen. Dann war Mark gekommen, und sie hatte sich an ihn geklammert, wie sie sich an alle starken Naturen in ihrem Leben geklammert hatte. Als ob sie

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