Der Fluch von Colonsay
allein zu schwach wäre, ihr Dasein zu meistern.
Das Licht ging an, und die plötzliche Helligkeit blendete sie. Kerry Scott stand in der Tür und runzelte die Stirn. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Ich dachte, Sie wären zu Bett gegangen.«
Rosamund fuhr sich mit der Hand durch das Haar. »Ich habe einen Moment für mich gebraucht. Es geht mir gut.«
»Was hat Mr Markovic gesagt?«
Rosamunds Hand sank herab. »Er war der Meinung, ich würde mich lächerlich machen, wenn ich hier wohnen bliebe«, sagte sie trocken.
Kerry errötete, aber ihre Stimme klang fest. »Ich freue mich über die Gesellschaft.«
Rosamund unterdrückte ein Lächeln und suchte in ihren Taschen nach einer Zigarette. Als sie sie angezündet hatte, war das Schweigen beklemmend geworden. Kerry biss sich auf die Lippe. Rosamund beobachtete sie und fühlte auf einmal ein seltsames Gefühl ihren Rücken heraufkriechen.
»Ich habe darüber nachgedacht«, hob Kerry an, »was Sie über die Stimme sagten, die Sie gehört haben. Mir ist da etwas eingefallen. Ihre Großmutter erzählte häufig, dass Sie als kleines Mädchen Stimmen in Colonsay gehört haben. Erinnern Sie sich noch daran?«
Rosamund schüttelte den Kopf und schaute Kerry ins Gesicht. »Nein. Ich soll Stimmen gehört haben? Was für Stimmen? Haben Sie damals schon für sie gearbeitet?«
»Es war vorbei damit, als ich hier anfing.«
»Ist sie mit mir zum Arzt gegangen?«
»Sie hielt das nicht für diese Art von Stimmen.«
»Und was haben sie gesagt, diese Stimmen?«
Kerry fühlte sich offensichtlich unbehaglich. »Meistens Ihren Namen, glaube ich. Rose oder Rosie? Vielleicht beides. Sie waren noch sehr klein. Es hat sich mit der Zeit gegeben. Sie hielt es für eine Fantasievorstellung. Was sollte es auch sonst gewesen sein?«
Rosamund zog an der Zigarette. Was auch immer es war – es ist wieder zurückgekommen, dachte sie freudlos. Ihre Gedanken schweiften ab, suchten nach einem anderen, weniger beängstigenden Thema. »Wissen Sie vielleicht, wo der Nähkasten meiner Großmutter ist?«
Kerry zuckte zusammen. »Ja, warum? In meinem Zimmer.« Sie lächelte nervös. »Sie hat ihn mir geschenkt, aber wenn Sie …«
»Nein, nein. Er gehört Ihnen, Kerry. Behalten Sie ihn.« Rosamund fühlte sich plötzlich erschöpft. Es war ein sehr langer Tag gewesen. »Ich gehe nach oben.«
»Selbstverständlich. Ich werde abschließen.«
Die eine oder andere Stufe knarrte, und der Handlauf hatte genau in der Mitte einen Riss.
Rosamund sah, wie ihre Füße den Treppenabsatz erreichten und weitergingen. Als ob sie zu jemand anderem gehörten. Über den abgetretenen Läufer bis zu ihrem Schlafzimmer.
Der Duft nach Geißblatt begrüßte sie, als sie die Tür öffnete.
4
Frederick Swann kam am nächsten Tag und hatte die Absicht, den Dachboden auszuräumen, damit seine Männer mit der Arbeit an dem kaputten Dach beginnen konnten. Er machte sich Sorgen, wie er Rosamund sagte, dass das Ganze demnächst in sich zusammenfallen würde.
»Ein schwerer Sturm, eine Menge Wasser von oben, und wir bekommen richtig was zu tun.«
»Ihr werdet so schon genügend Arbeit damit haben, wie es aussieht.«
Er lächelte. »Sie werden ganz schnell ein paar entscheidende Veränderungen feststellen.«
Rosamund überließ ihn seinem Job. Dem Geruch aus der Küche zufolge war Kerry beim Backen, da wollte sie nicht stören. Sie beschloss, den Vormittag mit einer Entdeckungsreise durch das Haus zu beginnen, das ihr früher so vertraut gewesen war.
Die ursprüngliche Heimstatt der Cunninghams war heute noch klar zu erkennen und bildete den Mittelteil von Colonsay. Zu beiden Seiten schlossen sich die Flügelbauten an, die Cosmo im späten neunzehnten Jahrhundert für seine Gattin errichtet hatte. Er schien klug genug gewesen zu sein, Colonsay nicht zu ausladend oder pompös zu gestalten. Trotzdem war es ein beeindruckendes Gebäude, was seinerzeit häufig Erwähnung gefunden hatte.
Rosamund schlenderte zum Westflügel, der von innen genauso vernachlässigt aussah wie von außen. In den leeren Zimmern war es kühl und feucht. Schimmel breitete sich auf dem Putz von Decken und Wänden aus. Durch die undichten Fenster drang Wasser ein und hatte die blütenübersäten Tapeten mit Flecken verschandelt. In einem Zimmer waren die Bodendielen verrottet. Sie brach mit ihrem Schuh ein, als sie unwissentlich auf die Stelle trat, konnte sich aber ohne größeren Schaden wieder befreien.
Im Erdgeschoss des Ostflügels befanden
Weitere Kostenlose Bücher