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Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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teuer. Aus ihren Erinnerungen glitt sie in Träume hinüber, ihr Kopf sank ihr auf die Brust. Sie schlief.
    Der entfernte Klang der Standuhr in der Eingangshalle, die die Stunde schlug, ließ Alice aufschrecken. Kaum war der Ton verhallt, schien die Stille noch drückender zu werden. Von der Kerze war nur noch ein Stummel übrig, und sie wusste, dass es schon sehr spät sein musste. Die Stufen der Stiege knackten unter ihren Füßen. Als sie durch den Westflügel kam, hörte sie Adas helle, fordernde Stimme, unterbrochen vom besänftigenden Flüstern ihres leidgeprüften Kindermädchens.
    Im Ostflügel lag der Flur ganz im Dunkel. Nur durch das Buntglasfenster fiel etwas Licht. Für gewöhnlich brannte eine Lampe auf dem Tisch am Treppenabsatz, doch nicht heute. Alice’ Hand ruhte auf dem Treppengeländer, und sie wollte gerade hinuntergehen, als sie hinter sich eine Bewegung spürte.
    Eine Gestalt in einem lockeren Gewand bewegte sich langsam durch die Schatten.
    Instinktiv trat Alice an die Wand zurück und hielt den Atem an. Die Gestalt blieb stehen, als ob auch sie ihre Gegenwart fühlte. Doch sie ging weiter, begleitet vom leisen Knistern von Seide. Für einen kurzen Augenblick glaubte Alice, die Nymphe wäre aus ihrem Glasfenster herabgestiegen. Eine bleiche Hand umfasste den Türknopf von Ambrosines Schlafzimmertür. Mit einem kaum vernehmbaren Klicken öffnete sich die Tür.
    Das Schlafzimmer musste von Kerzen erleuchtet sein, weil ein Lichtschimmer durch die geöffnete Tür fiel, auf die Gestalt – und auf Alice.
    Ambrosine. Sie wandte sich um. Das Haar fiel ihr über die Schultern, ihre Füße waren bloß. Die schimmernde Seide ihres Nachtgewands reflektierte das sanfte Kerzenlicht. Sie starrte Alice aus unergründlichen dunklen Augen an. Diese erinnerte sich, dass Mr Marling ebenfalls auf Colonsay übernachtete.
    Ambrosine wandte sich ab und trat ins Zimmer. Die Tür schloss sich leise hinter ihr. Nur der süße Duft ihres Parfüms hing noch in der Luft.
    ***
    Nach Garys überraschender Mitteilung schien es nicht mehr viel Sinn zu machen, sich weiter mit dem Garten zu beschäftigen. Rosamund ging ins Haus zurück. Sie sehnte sich nach einem heißen Bad, in dem sie ihren Frust ertränken wollte. Durch das leise Hämmern vom Dach kam ihr die Eingangshalle noch stiller vor. Sie blieb stehen, einen Fuß auf der ersten Stufe, eine Hand auf dem Geländer. Ein kleiner, fast kreisrunder Gegenstand hüpfte die Treppe herunter auf sie zu und blieb neben ihrem Schuh liegen. Sie sah hinunter.
    Der alte Knopf.
    Rosamund starrte ihn an und zweifelte an ihrem Verstand. Es muss ein anderer, ähnlicher sein, dachte sie und wusste zugleich, dass dem nicht so war. Jemand musste ihn heruntergeworfen haben, doch oben herrschte gähnende Leere. Langsam und widerstrebend bückte sie sich und nahm ihn vorsichtig auf, als ob er beißen könnte. Der Knopf fühlte sich warm an, als ob ihn bis eben jemand in der Hand gehalten hätte. Sie starrte auf die abgegriffene Oberfläche. Da das Licht besser war als gestern in dem hinteren Zimmer, konnte sie ein Muster erkennen. Rund, mit einem Kreis in der Mitte.
    Schnell steckte sie den Knopf in die Tasche und hielt ihn dabei mit den Fingern fest umklammert. Sie verspürte einen Druck auf ihrer Brust, und ihre innere Unruhe war kaum zu ertragen.
    ***
    Ambrosine saß unten in ihrem Empfangszimmer. »Madam möchte, dass du ihr heute das Tablett bringst«, sagte Mrs Gibbons zu Alice. Sie musterte das Mädchen dabei eindringlich und neugierig. Es war ungewöhnlich, dass Ambrosine nach jemand Bestimmtem verlangte.
    »Es gibt Biskuitrolle, wenn sie davon etwas möchte«, fuhr die Köchin fort, ordnete die Leinenserviette neu und verschob den Teller mit den Sandwiches in die eine und die andere Richtung. Nach einem letzten prüfenden Blick auf das Silbertablett klatschte sie in die Hände. »Gut, auf geht’s.«
    Alice ging zur Tür. Meggy grinste sie im Vorbeigehen an und warf sofort einen ängstlichen Blick Richtung Mrs Gibbons; hatte die Köchin den stummen Austausch bemerkt und daran Anstoß genommen? Aber Mrs Gibbons war mit dem Nachtisch beschäftigt und summte vor sich hin, während sie ein Dutzend Eier aufschlug und trennte.
    Eilig ging Alice durch die Eingangshalle. Sie spürte Berties Vogelbestimmungsbuch in ihrer Tasche, wie es ihr gegen das Bein schlug. Auf diese Gelegenheit hatte sie gewartet. Als ob Ambrosine das gewusst hätte. Alice war sich allerdings bewusst, dass es auch einen

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