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Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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dachte Rosamund. Die konnte sie sich da draußen gut vorstellen. Waren weiße Rosen nicht Ambrosines Lieblingsblumen gewesen? Ein kreisrundes Beet mit weißen Rosen und in der Mitte eine Statue. Frauen mit langen Röcken und großen Hüten, die zwischen Staudenbeeten und Gehölzen spazieren gingen. Zu Cosmos Zeit waren viele reiche und einflussreiche Menschen in Colonsay zu Besuch gewesen, Politiker ebenso wie Künstler. Rosamund verstand besser, als sie zugeben wollte, warum Ada diese Erinnerungen hatte bewahren wollen.
    Gary ging an den Bücherregalen entlang und gab ab und zu Laute von sich, wie es besessene Leseratten tun, wenn sie ein altes Lieblingsbuch oder einen lang gesuchten Titel erblicken. Als Junge war er ein Bücherwurm gewesen – Rosamund hatte ihn oft vor den Bücherregalen angetroffen. Sie fragte sich, ob er wohl zum ersten Mal seit seinem Zusammentreffen mit dem Geist wieder in diesem Zimmer war. Sie steckte sich eine Zigarette an, nippte an ihrem Wein und beobachtete das knisternde Feuer im Kamin. Es war Herbst geworden. Zu Hause in Melbourne hatte Mark die Heizung sicher auf 25 Grad hochgedreht. Er hasste die Kälte. Sie würde ihn an seine Kindheit erinnern, als ihm nie warm gewesen war. Rosamund, von Kindheit an in Colonsay an ein raues Klima gewöhnt, lachte ihn deswegen immer aus. Zumindest hatte sie das zu Beginn ihrer Beziehung getan. Später hatte keiner von ihnen beiden mehr viel zu lachen gehabt.
    »Die haben Mrs Ada gehört.«
    Rosamund wurde aus ihren Erinnerungen gerissen und sah hoch. Kerry griff nach einem Karton von mittlerer Größe, der jedoch schwer aussah. Er war voller Papiere, deren moderiger Geruch auf ein hohes Alter hinwies. Obenauf lag ein schwarzes, abgegriffenes Fotoalbum mit abgestoßenen Ecken. Rosamund hob den Karton hoch, stellte ihn auf den Boden neben ihrem Sessel und legte sich das Fotoalbum auf den Schoß.
    Der Einband war so ausgeblichen, dass er aussah wie Rost. Er knackte, als sie das Album aufschlug, als ob er sich vom Rest lösen wollte. Rosamund beugte sich vor, um die Inschrift auf dem Titelblatt lesen zu können: Die Cunninghams von Colonsay. Ja, die beiden gehörten ohne Frage zusammen. Die Härchen in Rosamunds Nacken stellten sich auf.
    Die Fotos waren nicht beschriftet. Ada hatte gewusst, wer die Menschen waren, die sie zeigten, früher einmal auch Rosamund. Sie blätterte langsam und vorsichtig die Seiten um, studierte die Posen der Abgebildeten: Frauen in langen Kleidern und Florentinerhüten, Männer in schicken Anzügen und Strohhüten. Ungezwungene Ausflüge aufs Land, formelle Zusammentreffen in Colonsay. Auf einem Bild waren zahlreiche Politiker aus dem frühen 20. Jahrhundert versammelt – Rosamund erkannte sie, konnte sich aber nicht an die Namen erinnern. Dann ein Foto von einem Mädchen mit langen blonden Korkenzieherlocken und einem süßen Lächeln – Ada. Ein kleiner Junge in Stiefeln, zugeknöpft bis obenhin – Adas Bruder Bertie. Ein Familienfoto von Cosmo, Ambrosine und den beiden Kindern. Völlig unpassend erinnerte Cosmo sie wegen des dichten grauen Haars und des mächtigen Schnurrbarts ein wenig an Stalin. Aber das Gesicht sah liebenswert aus, die Augen blickten humorvoll. Ambrosine war modisch in Rock und Bluse gewandet, das dunkle, üppige Haar auf dem Kopf hochgetürmt, die behandschuhten Hände um den Elfenbeingriff eines Sonnenschirms geschlossen.
    Sie wirkte irgendwie nicht wie von dieser Welt, stellte Rosamund verwundert fest. Als ob sich hinter dem perfekten Gesicht, der perfekten Figur und dem perfekten Ruf nichts befände, nur eine weite Leere. Cosmo sah man an, was er war und dachte, nicht jedoch seiner mysteriösen Frau.
    Rosamund blätterte weiter. Gary und Kerry, die sich Kaffee nachschenkten und plauderten, hatte sie völlig ausgeblendet. Gary schob ein weiteres Scheit in den Ofen und stocherte hilflos darin herum, bis Kerry ihm kopfschüttelnd die Arbeit abnahm.
    Das Foto eines jungen Mannes in Uniform. Sein Gesicht war glatt, jung, unschuldig. Adas Gatte, Rosamunds Großvater. Wie oft hatte Ada auf dieses Bild gestarrt und sich ein anderes Leben gewünscht? Wie es wohl verlaufen wäre, wenn der Krieg ihr nicht den Ehemann genommen hätte? Das nächste bekannte Gesicht gehörte Simon, Rosamunds Vater. Er trug ebenfalls eine gut sitzende und robuste Uniform. Das Foto war direkt vor seinem Aufbruch in den Nahen Osten gemacht worden. Dann wieder Ada, allein, in einem Kostüm aus den 1950ern, die in die Kamera

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