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Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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hatte sie sicher nicht dazu ermutigt, aber sie musste ein seltsames Kind gewesen sein. Nie hatte sie ihn als Versteck oder Rückzugsbereich ins Auge gefasst. Sie hatte den bloßen Anblick der Dachbodenstiege nicht gemocht und nie das Verlangen verspürt, hinaufzusteigen. »Er ist völlig leer«, verkündete sie. Dabei klang sie ärgerlich, was aber eher ihrer Furcht zuzuschreiben war. »Ich gehe wieder ins Bett.«
    Sie drückte sich an Kerry vorbei und tappte auf bloßen Füßen die dunklen Stufen hinunter, vorbei an den verstreuten Töpfen. Der Westflügel lag still. Die Zimmer dort hatten einst die Kinder der Cunninghams beherbergt. Es roch moderig. Rosamund spürte eine große Leere und gleichzeitig das Gefühl, beobachtet zu werden. Was war hier los? Versuchte jemand, sie aus Colonsay zu vertreiben? Und wenn ja, warum? Oder versuchte ein gelangweilter Poltergeist nur verzweifelt, Aufmerksamkeit zu erregen?
    Bei der Vorstellung musste sie beinahe lächeln. Schon das fand sie anstrengend. Sie war so müde, dass sie kaum einen Fuß vor den anderen setzen konnte. Jedes Mal nach dem Lärm ging ihr das so. Sie fragte sich, ob dazwischen wohl ein Zusammenhang bestand. Komisch, dass ihr das bisher nicht in den Sinn gekommen war. Wer auch immer diesen Aufruhr verursachte, benutzte er etwa Rosamund als Energiequelle und bediente sich bei ihr, wenn ihm der Sinn danach stand?
    Sie zitterte und schlang die Arme um den Körper. Da hörte sie leise Schritte hinter sich. Das musste Kerry sein. Vielleicht konnten sie vor dem Zubettgehen noch etwas Warmes trinken. Oder sich einen steifen Brandy genehmigen. Sie drehte sich um und wollte gerade diesen Vorschlag machen.
    Rosamund erstarrte in der Bewegung.
    Das braunhaarige Mädchen stand hinter ihr. Rosamund dachte sofort, wie komisch es war, dass es keine Taschenlampe brauchte. Es schien von innen heraus zu leuchten.

9
    Mademoiselle Sombreuil. Die letzten des Sommers. Richtige französische Schönheiten, Madam.«
    Petersham nickte stolz in Richtung der weißen Rosen. Ambrosine arrangierte sie gerade in einer Vase, die Alice ihr gebracht hatte.
    Ihr Geruch war zitronig und süß zugleich. Sie hatten eine größere Blüte und mehr Blütenblätter als die anderen Teerosensorten.
    Ambrosine umfing eine Blüte mit ihren Händen und steckte die Nase hinein. »Wundervoll«, wisperte sie und lächelte den alten Mann an.
    Er räusperte sich ein wenig verlegen, aber Alice bemerkte sein stolzes Erröten. Männer waren Narren, sobald es um Ambrosine ging.
    »Meine Mutter züchtete Rosen, als ich klein war«, sagte diese jetzt. »Comtesse de Murinais, Semiplena, Madam Hardy. Nur weiße Sorten. Sie haben im Frühling geblüht und dufteten süß, ach, so süß! Wasser war knapp, und sie geizte mit jedem Tropfen für das Kochen und Waschen. Manchmal blieb am Ende eines Tages nur ein Eimer oder weniger übrig. Das trug sie dann hinaus in den Garten und tränkte ihre Rosen. Die Pflanzen litten in den heißen, trockenen Sommern, aber sie überlebten. Rosen sind so empfindlich, dass wir denken, ein einziger Windstoß könne sie zerstören. Aber sie sind zäh. Wunderschön und stark. Sie passen sich an die Lebensbedingungen an, die sie vorfinden, Sergeant, und vergeuden keine Kraft, indem sie dagegen ankämpfen.«
    Petersham saß steif auf dem brokatbezogenen Stuhl, als hätte er Angst, ihn zu beschädigen. Seine großen, furchigen Hände lagen auf seinen Knien. Ambrosine sprach weiter; sie schien in nachdenklicher Stimmung zu sein.
    »Sehen Sie, ich bin durchaus mit schwierigen Lebensumständen vertraut. Wir lebten nördlich des Murray River, im Outback. Mein Vater wollte unbedingt selbst Land besitzen. Als seine Geschäfte fehlschlugen, kaufte er sich von seinem letzten Geld einen Besitz. Meine Mutter, mein Bruder und ich folgten ihm dort hinaus und ließen die Zivilisation hinter uns. Ich war damals dreizehn. Das neue Leben unterschied sich völlig von meinem alten. Meine Freunde dachten, ich würde unglücklich sein. Ich aber fühlte mich befreit.«
    Alice bewegte sich leise durch das Zimmer, legte Holz im Kamin nach, stellte die Rosen auf einen Tisch neben dem Fenster, ordnete die Sandwiches und Kuchenstücke auf den Tellern, die Mrs Gibbons immer in Windeseile hervorzauberte. Ambrosine bemerkte sie nicht – und wenn, zeigte sie es nicht.
    »Kommt Mr Cunningham auch von dort?«, wollte Peters-ham wissen.
    Ambrosine schüttelte den Kopf und warf ihm einen fast neckischen Blick zu. »Nein. Mein

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