Der Fluch von Colonsay
in Dein Reich, und segne sie mit Deiner Gnade.«
Die anderen fielen ein: »Segne sie mit Deiner Gnade, o Herr.«
»Nimm Dich der Ruhelosen und Verlassenen an, o Herr, und vergib ihnen ihre Sünden in Deiner grenzenlosen Güte.«
»Amen.«
»Gewähre ihnen Aufnahme in Dein Paradies, o Herr.«
»Amen.«
»Verlass sie nicht, o Herr, sondern geleite sie sicher durch alle Verführungen auf dem Weg zu Dir.«
»Amen.«
»Herr, erbarme Dich.«
»Christus, erbarme Dich.«
Der Klang der Stimmen war beruhigend und hypnotisch. Neben Rosamund verschmolz Kerry fast mit dem Türstock. Die Gesichter der Betenden leuchteten verzückt. Rosamund konnte die Leidenschaft spüren, mit der sie beteten, ihren festen Glauben. Inzwischen waren sie beim Vaterunser angekommen. Ihre Worte erfüllten die Luft im Kampf gegen die ewige Dunkelheit. Jenseits der brennenden Kerzen lag ein ruhiges, friedvolles Colonsay.
Dann regte sich etwas.
Rosamund wusste nicht, woher dieses Gefühl kam. Aber sie war sich sicher. Ein unmerklicher Luftzug. Ein lautloses Herumgleiten im Raum, beobachtend, lachend, spottend … Rosamund stieß einen spitzen Schrei aus. Genau in diesem Augenblick begannen die Kerzen zu flackern und qualmend zu erlöschen.
Frederick und seine Freunde beteten weiter, ihre Stimmen wurden lauter. Es war fast so, als ob die Störung sie angespornt hätte. Aus ihren Bitten wurden Forderungen. Frederick hob mit ausgestreckten Armen seine Bibel hoch und schwenkte sie über seinem Kopf, sein Gesicht von einem inneren Feuer erleuchtet.
Auf einmal überkam Rosamund eine unerklärliche Angst um ihn.
»O Herr, erlöse dieses Haus, Colonsay. Sende Deine Liebe und Güte auf Colonsay herab. Verbanne die Dunkelheit und das Böse.«
»O Herr, erlöse dieses Haus …«
Das Krachen hörte sich an wie von einem Felsen, der aus großer Höhe herabstürzte. Es erschütterte das Haus in seinen Grundfesten. Kerry sprang hoch und schrie. Die Betenden gerieten aus dem Takt. Doch Frederick machte weiter, zwang sie durch die Kraft seines Willens, ihm zu folgen. Ein neuerliches Krachen ertönte, wie der Fußtritt eines Riesen. Oben stürzte etwas donnernd und rumpelnd um.
»Fred«, stieß Rosamund atemlos hervor. »Ich glaube, Sie sollten aufhören.«
Aber das tat er nicht. Die Worte strömten nun schneller und lauter von seinen Lippen, sodass die anderen ihm kaum folgen konnten. Die Schläge auf dem Dachboden waren sehr laut und kamen kurz hintereinander. Es klang wie permanentes Donnern. Kerry hielt sich die Hände vors Gesicht, und Rosamund bat Fred noch einmal, doch aufzuhören. Melanie stürzte mit bleichem und angstverzerrtem Gesicht zur Tür, riss sie auf und rannte hinaus. Fred, Justin und Leo blieben, wo sie waren, beteten weiter und schwenkten die Bibel. Schweiß strömte über ihre Gesichter.
Rosamund wusste, wie viel Kraft sie das kosten musste. Sie hatte das alles schon durchgemacht, aber nie dagegengehalten.
Plötzlich nahm sie eine undurchsichtige Schwärze am oberen Ende der Treppe wahr, die nichts mit normalen Schatten zu tun hatte. Sie spürte die Kälte und eine böse Macht, die sie bis in ihr Innerstes erschütterte.
Sie rannte zu Frederick hinüber und packte ihn am Arm. Er blickte sie an, sah sie aber nicht. Er wurde offenbar von einer verborgenen Kraft gestützt, die ihn im Kampf gegen die unsichtbaren Geister Colonsays stärkte.
Plötzlich verstummte der Lärm im Obergeschoss, und nur einen kurzen Augenblick später hörte Frederick auf zu beten. Er neigte seinen Kopf zur Seite, um zu lauschen, aber alles blieb ruhig. Es war die fast greifbare Stille, die jedes Mal dem Lärm folgte. Rosamund hörte Fredericks rasches Atmen, sah, wie seine Brust sich hob und senkte. Sie merkte, dass sie an seinem Arm hing, und ließ ihn los. Mit zittrigen Beinen trat sie einen Schritt zurück. Justin trat dafür näher an ihn heran. Leo sah die Treppe nach oben. Melanie blieb verschwunden. Rosamund fragte sich in einem Anflug von schwarzem Humor, ob sie wohl inzwischen am Meer angekommen war.
»Wir haben es ausgetrieben«, sagte Leo leise, aber mit einem triumphierenden Lächeln.
»Klar haben wir das«, entgegnete Frederick mit erhobener Stimme. »Der Wille des Herrn geschehe!«
In diesem Augenblick erhob sich der kleine Tisch auf dem Treppenabsatz hoch in die Luft, hielt sich dort, als ob er sich ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit versichern wollte, und stürzte dann polternd die Treppe herab auf sie zu. Rosamund schrie auf und sprang
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