Der Fluch von Colonsay
nur so gedankenlos sein.«
Rosamund schämte sich. »Ist doch egal, ob sie es verabscheut hätte«, entgegnete sie. »Sie ist tot.«
»Miss Ada wäre aber sehr stolz darauf, dass Mr Markovic hier wohnt.« Kerrys Gesicht hatte seine normale Farbe wieder. »Das passt einfach, nicht wahr? Erst Cosmo Cunningham und jetzt dein Ehemann.«
»Wirklich sehr passend.«
Diesmal nahm Kerry die Ironie in ihrer Stimme wahr. »Mr Markovic hat Colonsay von Anfang an gemocht. Ich war dabei und habe gesehen, wie er sich fühlte. Er hat sich jeden Quadratzentimeter angesehen, Rosamund. Es kam mir fast so vor, als ob er sich verliebt hätte.« Sie lachte wie über einen Scherz, aber keine von ihnen beiden schien das besonders witzig zu finden.
»Du hast Liebe mit dem Verlangen nach Besitz verwechselt«, sagte Rosamund ruhig. »Mark liebt Colonsay nicht, er will es besitzen.«
»Ich bin sicher, dass du da falsch liegst.« Kerry presste verstimmt ihre Lippen zusammen.
»Nun, das wird die Zeit weisen. Abgesehen davon gehört Colonsay mir. Ada hat es mir vererbt.«
»Aber …« Kerry schien sich unwohl dabei zu fühlen, sich auf ein Terrain zu wagen, das sie eigentlich nichts anging. »Mr Markovic hat so viel Geld für das Haus ausgegeben. Ist es dann immer noch deins? Ich verstehe nichts von Verträgen und Gesetzen, aber ich könnte mir denken, dass er ein Recht auf einen Anteil hat.«
Aus der Traum! Rosamund fragte sich, was sie zu der Vorstellung gebracht hatte, sie könnte Mark einfach auffordern zu verschwinden. Er hatte, wie Kerry richtig feststellte, ein Vermögen für die Reparaturarbeiten ausgegeben. Wenn er sie verließ, würde er dann überhaupt so großzügig sein, ihr Colonsay im Zuge der Scheidungsvereinbarungen zu überlassen?
»Was heißt hier großzügig?«, brummte sie. »Ich würde bis zum bitteren Ende darum kämpfen.«
Kerry blickte sie fragend an und öffnete gerade den Mund, um ihr eine Frage zu stellen, als draußen ein langgezogener, schriller Schrei ertönte. Eine Sekunde lang standen die beiden wie versteinert. Dann hörten sie einen Arbeiter aus dem Westflügel rufen, gefolgt von weiteren aufgeregten Stimmen. Kerry schnappte nach Luft und rannte in den Flur, Rosamund hinterher.
Gary kam gerade die Treppe herunter.
»Einen Krankenwagen«, stieß er atemlos hervor. Seine blauen Augen wirkten vor Aufregung oder Ärger riesig. Rosamund konnte nicht unterscheiden, was der genaue Grund war. »Ein Mann ist vom Gerüst gestürzt.
***
Mrs Gibbons verköstigte den alten Harry in der Küche. Alice konnte ihre Stimmen hören, Mrs Gibbons hohes mädchenhaftes Gezwitscher und Harrys tiefes Gebrumme. Harry war an der Hintertür gestanden. Er hatte seinen Hut in der Hand, seinen fadenscheinigen Mantel sauber gebürstet und die Stiefel blank gewienert. Meggy musste kichern, als sie ihn hereinbat, und Mrs Gibbons schickte sie mit einem Stirnrunzeln weg, das spätere Strafe versprach.
»Und das in ihrem Alter«, erzählte Meggy mit höhnischem Unterton.
Als ob das Alter etwas damit zu tun hätte, dass Menschen dumme Dinge taten, dachte Alice gereizt.
»Wäre Madam da, hätte er nicht reinkommen dürfen«, sagte Meggy nun. Die beiden Mädchen saßen dicht nebeneinander auf der untersten Stufe der Haupttreppe wie zwei mürrische, von ihrem Platz vor dem warmen Küchenfeuer verstoßene Katzen.
Alice hatte den Zeitungsbericht über die Parlamentseröffnung und die damit verbundenen Reden und Festlichkeiten gelesen. Sie konnte Cosmos Gelächter förmlich hören und sah die strahlend lächelnde Ambrosine direkt vor sich.
Ein seltsam unregelmäßiges Pochen erklang aus der Küche. Es klang, als ob Mrs Gibbons und Harry auf den Möbeln herumkletterten und von dort zu Boden springen würden. Sogar die Lampe auf dem Tisch neben der Treppe schwankte und ihr Kristallgehänge klingelte leise. Alice und Meggy blickten einander ungläubig an. Dann zischte Meggy: »Komm mit!«, ergriff Alice’ Hand, zerrte sie zur Haustür hinaus und ums Haus herum.
Das kleine Küchenfenster saß hoch in der Wand, aber direkt daneben stand praktischerweise ein Wasserfass. Sie schürzten ihre Röcke über den dicken Wollsocken und Stiefeln und kletterten hinauf. Oben angekommen, mussten sie sich auf die Zehenspitzen recken, damit sie etwas sehen konnten. Alice versuchte sich wie Meggy das Kichern zu verkneifen, damit man sie nicht hörte.
Was für ein Anblick bot sich ihnen! Mrs Gibbons und Harry tanzten miteinander. Die Röcke der Köchin
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