Der Fluch von Colonsay
zur Seite, aber der Tisch hatte es nicht auf sie abgesehen. Er traf Fred an der Brust und beförderte ihn in einem Rückwärtssalto zur Eingangstür hinaus in den Vorgarten.
Leo und Justin rannten zu ihm. Als Rosamund die Tür erreichte, sah sie, dass sie ihm aufhalfen. »Sind Sie in Ordnung?«, stieß sie mit trockener Kehle hervor.
»Nur ein paar Kratzer, glaube ich.«
Sein Gesicht sah bleich aus im Licht aus dem Flur hinter ihr. Er schien um zehn Jahre gealtert zu sein. Zum ersten Mal wirkte er wirklich ängstlich. Ihr Herz zog sich vor Furcht und Mitgefühl zusammen
»Ich brauche mehr Leute«, sagte er. »Mehr Gebete. Stärkere Gebete.«
»Nein!«
»Sie haben es doch gesehen und gehört.«
»Es hat nicht funktioniert.«
»Manchmal dauert es Wochen und Monate, bis sie wirken.«
Rosamund sah ihn mit großen Augen an. »Haben Sie so etwas womöglich schon einmal erlebt?«
Er schien sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen. »Ich selbst nicht, aber ich kenne Leute, die das durchgemacht haben. Ich weiß, was man tun muss.«
»Ich hätte Ihnen das nie erlauben dürfen«, flüsterte sie. »Sie sind ein Laie, Fred. Dieses Ding, was auch immer es ist, wird sich nicht einfach vertreiben lassen.«
»Hör nicht darauf«, schrie er mit aufgerissenen Augen. »Das Böse ist hier, und Sie dürfen …«
Rosamund knallte ihm die Eingangstür vor der Nase zu und stand zitternd im Flur. »Sie verstehen das nicht«, wisperte sie. Dann wischte sie sich mit den Händen übers Gesicht und spürte den kalten Schweiß. Als sie sich umdrehte, stand da Kerry und beobachtete sie mit leichenblasser Miene.
»Hat er recht? Hat das Böse Colonsay in seinen Klauen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Du musst hier weg, Rosamund. Es begann, als du gekommen bist, und wird aufhören, wenn du wieder gehst.«
»Und was passiert dann?«, schrie sie gellend. »Ich will nicht für alle Zeiten aus meinem eigenen Haus vertrieben werden. Abgesehen davon, wer sagt dir, dass es mir nicht folgen wird?«
Das Telefon begann schrill und laut zu klingeln. Die beiden Frauen schraken zusammen. Kerry rührte sich nicht; sie schien festgewachsen, wo sie stand. Also stieg Rosamund über die Einzelteile des Tischs und hob den Hörer ab.
»Rosamund?«
»Gary!«
»Hat es geklappt?«
Sie lachte wütend auf. »Wir hatten einen tobenden Riesen auf dem Dachboden, und dann wurde Fred von einem fliegenden Tisch niedergestreckt. Nein, es hat nicht geklappt.«
Stille. »Soll ich kommen?«
»Kannst du denn?«
»Weißt du noch, was ich dir über das Gefühl erzählt habe, das ich hatte, wenn ich zu Besuch in Colonsay war?«
»Ja.«
»Es ist heute schlimmer als damals. Wie eine Grenze, eine Wand … Irgendwann werde ich es nicht mehr schaffen, es zu durchdringen.«
»Dann bleib lieber weg.«
»Vielleicht mache ich das, zumindest heute Nacht. Ich muss mich für morgen stärken. Da wir sowieso nicht arbeiten, dachte ich, ich könnte Zephyr mitbringen.«
»Nein, Gary. Ich will nicht, dass sich die Ereignisse von heute Abend wiederholen.«
»Das wird auch nicht passieren. Sie wird nichts tun, was du nicht willst. Sie wird sich nur umsehen und umhören. Wir müssen doch wissen, womit wir es zu tun haben, wenn wir das Rätsel lösen wollen, oder?«
In der nachfolgenden Stille war nur sein Atmen zu hören. Er wartete auf ihre Antwort.
»Ja.« Sie war eigentlich nicht dazu bereit, wusste aber nicht, was sie sonst hätte tun sollen.
Er seufzte erleichtert. »Also dann, bis morgen. Pass auf dich auf.«
Pass auf dich auf, wiederholte sie stumm, nachdem sie aufgelegt hatte. »Er bringt Zephyr mit.«
Kerry schloss die Augen. »Herr im Himmel, weit ist es mit uns gekommen.«
Rosamund musste lachen.
12
Trotz allem hatte Rosamund gut geschlafen. Kerry allerdings weniger, sie sah abgespannt aus an diesem Morgen. Nicht einmal das Frühstück konnte ihr Interesse wecken.
»Ich gehe lieber wieder nach oben und lege mich hin«, sagte sie schließlich. »Wenn das für dich in Ordnung ist, Rosamund.«
»Natürlich ist das in Ordnung. Bleib ruhig den ganzen Tag im Bett.«
»O nein, sicher nicht. Ich will uns Hühnchen zum Abendessen machen.«
Rosamund seufzte und nippte an ihrem Kaffee. Kerry war nach oben verschwunden, es herrschte vollkommene Ruhe. Sie ging in den Garten und zündete sich eine Zigarette an. Das Dickicht rund ums Haus war gelichtet worden. Rosamund fragte sich, welche unersetzlichen alten Pflanzen dieser Aktion zusammen mit Disteln und Brennnesseln zum
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