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Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaye Dobbie
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kamen zum Fuß der Haupttreppe. Dort hatte Frederick letzte Nacht die Kerzen angezündet, von denen noch Wachsflecken auf den Stufen zeugten.
    »Hier gibt es ein Wesen, das sehr unglücklich ist«, verkündete Zephyr. »Ihm ist Unrecht geschehen, und solange dieses Unrecht nicht getilgt ist, kann es Colonsay nicht verlassen.«
    Das klang nach dem Standardspruch für Geisterhäuser, aber Rosamund konnte nicht anders als zu fragen: »Wissen Sie, wer das Wesen ist?«
    »Das Wesen sieht jung aus, aber das heißt nicht, dass sie jung gestorben ist.«
    »Sie?«
    »Ja, eine Frau.«
    Aus einem unerfindlichen Grund musste Rosamund sofort an Ada denken. Die Bilder in ihrem Kopf, befeuert von den ganzen Geschehnissen, schlugen Purzelbäume. Wie konnte sie nur hier leben wollen, wenn Ada das Haus heimsuchte? Den Gang mit ihrem Stock hinuntertappte, das Foto ihres toten Gemahls fest mit den altersfleckigen Fingern umkrallt?
    »Es gibt eine Verbindung zwischen Ihnen und diesem Wesen«, fuhr Zephyr da fort. »Mir kommt es vor, als benutzte sie Sie, um die Vergangenheit wiederzubeleben.«
    »Können Sie mir mehr darüber sagen?«
    Zephyr lauschte wieder, jedoch nicht Rosamunds Worten. »Ich weiß nicht, ob ich etwas ausrichten kann«, sagte sie ruhig. »Da sind sie wieder, die blutigen Schatten. Jemand ist sehr unglücklich. Ich denke, das genügt erst einmal.«
    Sie schüttelte ein wenig den Kopf und lächelte Rosamund dann an, als wären diese Worte nie gesprochen worden. »Ich gehe für einen Moment in den Vorgarten. Rufen Sie mich, wenn Gary so weit ist, dass er mich heimbringen kann.«
    Vorgarten!, wiederholte Rosamund ironisch für sich, öffnete aber trotzdem die Eingangstür für Zephyr. Dann kehrte sie zurück in die Küche und zu Gary.
    Er schaute zu ihr hoch, die Lippen fest zusammengepresst. Was auch immer Colonsay heimsuchte, saugte ihm das Leben aus den Knochen. Davor hatte Zephyr auch sie gewarnt.
    »Hat es hier gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben, Gary, oder?«
    »Kommt drauf an. Wenn du seelische Grausamkeiten meinst, etwas in der Art vielleicht?«
    »Ja, das halte ich für möglich. Aber ich denke, Zephyr spricht von körperlicher Gewaltanwendung.« Rosamund schüttelte sich. »Sie sagt, da wäre ein Mann, der nach Rosie riefe, und es gäbe ein Mädchen, das die Toten zum Leben erwecken wolle.« Sie erklärte ihm, was genau Zephyr gesagt hatte, und beide hingen für einen Augenblick ihren Gedanken nach.
    »Möchtest du noch eine Tasse Kaffee?«, fragte Rosamund schließlich.
    »Nein, ich mache mich besser auf den Weg. Rosamund?«
    Sie sah ihn mit besorgter Miene an. Leicht strich er mit den Fingern über ihre Wange. »Ich fahre heute Nachmittag mit dem Boot raus. Das Meer ist im Augenblick ziemlich ruhig. Kommst du mit?«
    Rosamund sah in diesem Augenblick den endlos blauen Himmel vor sich, weit und breit keine seelischen oder körperlichen Belastungen. Sie lächelte. »Danke. Ich komme gern.«
    Seine Züge entspannten sich. »Ich hole dich nach dem Mittagessen ab. Zieh dich warm an. Ich habe genügend wasserdichte Sachen an Bord, falls wir sie brauchen.«
    Ihre Stimme ließ ihn an der Tür innehalten. »Gary? Danke.«
    Er nickte, und die Eingangstür fiel hinter ihm ins Schloss. Kurze Zeit später fuhr der Wagen weg. Rosamund blieb, wo sie war. Tausend offene Fragen beschäftigten sie. Zephyr hatte ihr keine Antworten geliefert. Und die Sache mit der Gewalt, nun, die ergab überhaupt keinen Sinn. Colonsay war immer ein Unglückshaus gewesen und die Cunninghams eine unglückliche Familie. Aber soweit sie wusste, hatte nie ein Familienmitglied zu Amokläufen geneigt. Vielleicht lag Zephyr ja schief.
    ***
    Der Zug war pünktlich. Man hatte die Kutsche zum Bahnhof geschickt, um Cosmo und Ambrosine abzuholen, und natürlich auch Bertie.
    Alice konnte kaum an sich halten. Die Aufregung durchtobte ihren Körper wie ein kleines wildes Tier, hüpfte in ihrer Brust und drängte gegen ihre Rippen, auf der Suche nach einem Weg ins Freie. Bertie kam nach Hause! Endlich!
    Seit Tagen stand Mrs Gibbons in der Backstube. In Cosmos Gefolge wurden viele Gäste in Colonsay erwartet, und die Köchin musste vorbereitet sein. Gerade schnitt sie Zwiebeln und sang If I were the only girl in the world – begleitet von Schniefen und sehr zum Missvergnügen von Meggy.
    Meggy war die ganze Zeit über fröhlich gewesen, doch nun kamen die Cunninghams zurück. Schon neigte sie wieder zum Sarkasmus, und ihr Gesicht zeigte einen

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