Der Fluch von Colonsay
sie heraussuchen, hatte sie gesagt. Der Ausdruck in ihrem runden Gesicht sollte wohl Mitgefühl und Betroffenheit ausdrücken.
Meggy war gerührt gewesen. »Wer hätte das gedacht? Es steckt doch in jedem Menschen ein guter Kern, oder, Alice?«
14
Graham Peel-Johnson traf kurz nach ein Uhr ein. Er sah ziemlich genauso aus, wie man ihn sich seiner Stimme nach vorgestellt hatte: ordentlich gekleidet, mit schütterem blondem Haar. In der Hand trug er eine braune Lederaktentasche. Rosamund brachte ihn in die Bibliothek und bot ihm Kaffee oder Tee an. Dabei versuchte sie, nicht daran zu denken, was sich vor Kurzem in diesem Zimmer abgespielt hatte.
»Tee wäre nett, danke.«
Rosamund ließ ihn allein, um das Gewünschte zu holen. Sie fragte sich, ob das Geistermädchen ihn wohl beobachtete. Es geschähe ihm recht, wenn sie ihn ordentlich erschrecken würde. Doch als sie mit dem Tablett zurückkehrte, schien ihr Graham Peel-Johnson genauso ruhig und geschäftsmäßig zu sein wie zuvor.
»Sehr freundlich von Ihnen«, sagte er, als er das Ergebnis von Kerrys Vorbereitungen erblickte. Außer der Teekanne standen ein Teller mit Sandwiches und ein frisch gebackener Möhrenkuchen auf dem Tablett.
»Sie sagten am Telefon, Sie hätten neulich nachts mit meinem Mann gesprochen?
Er nickte, verschlang hastig ein Schinkensandwich mit Senf und griff nach seiner Aktentasche. »Ja. Tut mir leid, dass ich Ihnen deswegen Ungelegenheiten bereiten muss.«
»Konnte mir das Mark nicht alles selbst sagen?« Natürlich nicht, er war viel zu beschäftigt dazu.
»Das sollten Sie lieber mit Mr Markovic besprechen.«
Rosamund nickte, als würde sie genau das beabsichtigen, und wartete, dass er anfing.
Peel-Johnson entnahm seiner Aktentasche ein Bündel Papiere, die er dabei mit Senf beschmierte. Er schnalzte mit der Zunge und betupfte die Flecken mit seinem makellosen Taschentuch. Rosamund gab vor, nichts davon mitzubekommen.
»Sie und Mr Markovic haben vor der Eheschließung keine Vereinbarungen geschlossen, ist das richtig, Mrs Markovic? Ich meine – einen Ehevertrag?«
Verblüfft fehlten Rosamund für einen Augenblick die Worte. »Nein.« Sie räusperte sich. »Eheverträge waren damals noch nicht in Mode. Aber auch wenn, bezweifle ich, dass wir das getan hätten.«
»Tja, wir sind alle zuversichtlich, wenn wir heiraten, oder?« Sein Blick drückte eine Mischung aus Mitgefühl und Belustigung aus.
Rosamund beugte sich vor. »Ich verstehe nicht, was das soll. Wollen Sie mir sagen, Mark möchte einen Ehevertrag abschließen? Jetzt? Wäre das nicht ein wenig spät?«
»Etwas in der Art, ja. In seiner gegenwärtigen Lage fühlt er sich verletzlich. Mr Markovic möchte deswegen die Situation für den Fall klären, dass Sie – oder er – sich entschließen sollten, die Beziehung zu einem beiderseits akzeptierten Ende zu bringen.«
War das eine Umschreibung für Scheidung? Rosamund dachte über das eben Gehörte nach. Sie fühlte sich gefühlsmäßig wie betäubt, dafür funktionierte ihr Verstand erstaunlich gut.
»Er möchte mir also Zugeständnisse für den Fall einer Scheidung abringen«, sagte sie gleichmütig. »Die werde ich aber nicht machen.«
»Mrs Markovic …«
»Das genügt. Bitte gehen Sie.«
»Bitte, lesen Sie wenigstens, was ich aufgesetzt habe. Sie werden es sehr fair finden. In der Tat ist Mr Markovic mehr als fair gewesen.«
»Was ist mit Colonsay?«
Seine warmen hellbraunen Augen blickten ernst. Sie fühlte sich gedrängt, ihm zu vertrauen, weigerte sich aber. »Mrs Markovic, Sie können wohl kaum leugnen, dass ihr Gatte einen nicht unerheblichen Betrag in die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands steckt? Und dass das Haus danach nicht unbeträchtliche Unterhaltskosten verursachen wird?«
»Nein, das leugne ich nicht.« Rosamund freute sich über den verblüfften Gesichtsausdruck. Was hatte er erwartet? Tränen und flehentliche Bitten? Eine tobende Verrückte? Der Himmel allein wusste, was Mark ihm über sie erzählt haben mochte.
»Notfalls bin ich bereit, ihm jeden Cent zurückzuzahlen«, fuhr sie fort. »Colonsay wäre sehr gut geeignet für ein kleines, gehobenes Privathotel. Schöne Umgebung, exquisites Essen – ich habe eine ausgezeichnete Köchin. Wochenendausflüge in eine geschichtlich bedeutsame Umgebung für diejenigen, die genug von Skiausflügen und Weinproben haben. Ich könnte ziemlich hohe Preise verlangen, Mr Peel-Johnson.« Sie lächelte ihn sanft an.
»Ich kann dazu nichts
Weitere Kostenlose Bücher