Der Flug der Adler
sich einige Dinge durch den Kopf gehen ließ. Was hatte Munro herausgefunden, und wie? Nicht, daß das jetzt noch wichtig war. Es war alles vorbei, und der Herrgott möge seiner Mutter und Harry beistehen, es sei denn … Sein Gesicht schmerzte wie verrückt, also holte er die Feldpackung heraus und entnahm ihr eine Ampulle. Vereker kam wie ein Blitz herbeigeschossen.
»Was ist das?«
»Morphium«, sagte Max. »Für mein Gesicht. Ist erst kürzlich passiert und schmerzt stark. Hier, tun Sie's für mich.«
Vereker nahm die Packung in Augenschein. »Deutsch?«
»SS, um genau zu sein. Nur das Beste.«
Vereker zögerte, brach dann eine der Ampullen ab und stach sie in Max' ausgestrecktes Handgelenk. »Ich würde einiges darum geben, zu erfahren, was es mit alldem auf sich hat.«
»Geht mir genauso.«
Dougal Munro kam in die Messe, zögerte und trat dann auf
sie zu. »Herr Brigadegeneral«, sagte Max fröhlich.
Munro ignorierte ihn. »Major, von diesem Moment an stehen Sie unter der Geheimhaltungspflicht. Wir gehen am besten in Ihr Büro.«
Kurz darauf setzte sich Munro hinter Verekers Schreibtisch und nahm ein gefaltetes Formular aus seiner Tasche. »Der nötige Haftbefehl für diese Festnahme, Major, unter Anwendung des Kriegsnotstandgesetzes.«
Vereker sah es sich an und blickte verwirrt auf. »Aber der Haftbefehl ist auf den Namen von Oberstleutnant Max von Halder ausgestellt.«
»Sehr richtig. Dem Anschein nach ist Colonel Kelso in der Bretagne letzte Woche bruchgelandet und ein paar Tage später entkommen, um eine triumphale Rückkehr in einem Fieseler Storch zu feiern – nur daß es gar nicht Harry Kelso war, es war sein Zwillingsbruder.«
Vereker blieb die Spucke weg. Er hatte von Kelsos Bruder gehört, aber … »Aber warum?«
»Um ein Attentat auf General Eisenhower durchzuführen.«
»Aber das ist doch verrückt, Herr Brigadegeneral. Gerade eben hat er mit unglaublichsten Flugmanövern Eisenhowers Leben gerettet.«
»Tja, seltsam, nicht wahr?« Munro wandte sich an Max. »Als es drauf ankam, konnten Sie es nicht tun, hab ich recht?«
»Oh, drüber nachgedacht hab ich schon – mich einfach umzudrehen und ihn zu erschießen, aber dann hätte ich auch Sobel erschießen müssen, und das konnte ich nicht tun, nicht mit Mollys Vater. Harry liebt sie, verstehen Sie.« Max zündete sich eine Zigarette an. »Und dann ist die Junkers aufgetaucht. Ist schon seltsam. Wenn ich ein Fatalist wäre, hätte ich es einfach geschehen lassen, und wir drei wären abgestürzt, eine ideale Lösung.«
»Aber Sie sind kein Fatalist?«
»War ich nie. Ich habe noch nie aufgegeben und mich immer bis zum Ende mit Händen und Füßen zur Wehr gesetzt, und als dieser Mistkerl sich hinten an mich dran gesetzt hat …« Er zuckte die Achseln. »Ich bin ein Kampfpilot. Ich brauchte da gar nicht lange zu überlegen.« Er lachte. »Und das hat am Ende den Ausschlag gegeben. Als die Junkers abgestürzt ist, habe ich in meiner Kanzel dagesessen und mir gesagt: Dies ist dein Leben, Max. Du bist Pilot und kein Attentäter. Vielleicht bist du ja ein Mörder, aber nicht diese Art von Mörder.« Er mußte wieder lachen. »Übrigens, dreihundertneun war meine offizielle Abschußquote. Jetzt bin ich bei dreihundertzehn.«
»Ich glaube, ich kann Sie nur zu gut verstehen.«
»Womit meine Mutter und Harry in tiefsten Schwierigkeiten stecken.« Er runzelte die Stirn. »Aber Moment mal, Herr Brigadegeneral. Sie haben mir noch nicht erzählt, wie Sie mir auf die Schliche gekommen sind.«
»Wir haben die Rodrigues-Brüder beschattet, und sagen Sie nicht, daß Sie die nicht kennen. Dadurch sind wir auf Sarah Dixon gestoßen, die zu Ihrem Pech im Hauptquartier der SOE angestellt ist. Wir haben deren Wohnblock und jeden, der dort ein und aus ging, überwachen lassen, und da sind auch Sie aufgetaucht. Dumm von Ihnen.«
»Nun, in solchen Dingen bin ich eben ein Amateur.«
»Und dann haben wir einen Bericht von meinem Chefagenten
der Morlaix-Region erhalten, und deshalb kenne ich auch alle Hintergründe: Himmler, Hartmann. O ja, wir wissen alles über Hartmann, Ihre Mutter, Harry und die schreckliche Entscheidung, vor die Himmler sie beide gestellt hat.«
»Woher wissen Sie das alles nur? Ich bin ohne großes Aufsehen in das Château versetzt worden, und meine Mutter ist in aller Heimlichkeit aus Berlin eingeflogen worden.«
»Das Dienstmädchen Ihrer Mutter, Rosa Stein, das in
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