Der Flug der Adler
vielleicht wirklich war.
»Ich verstehe, Sir«, sagte Vereker und legte auf.
Jack kehrte zurück. »Flugzeug startklar, Sir, und der Wagen steht bereit. Soll ich mitkommen?«
»Nein, Sie halten hier die Stellung. Setzen Sie sich mit der portugiesischen Botschaft in Verbindung. Versuchen Sie, die Rodrigues-Brüder einzukassieren, auch wenn zu befürchten steht, daß der Botschafter sich auf deren diplomatische Immunität berufen und sie nach Hause schicken wird. Sorgen Sie dafür, daß Riley diese Dixon festnimmt. Sie haben genügend Blanko-Haftbefehle. Benutzen Sie sie.« Er stand auf und griff nach seiner Mütze. »Bestätigen Sie Jacaud den Empfang der Funkmeldung, teilen Sie ihm aber nicht mehr mit. Sie können später noch einmal Verbindung mit ihm aufnehmen, wenn wir wissen, wo wir stehen.« Er rückte seine Mütze zurecht.
»Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, wer in Château Morlaix die Fäden zieht, Herr Brigadegeneral?« sagte Jack. »Hartmann, einer der besten Köpfe des SD.«
»Natürlich ist mir das aufgefallen, Jack. Der Mann, der Kleins Abteilung in Berlin übernommen hat. Hier paßt jedes Steinchen aufs andere, aber das tun sie ja ab einem gewissen Zeitpunkt immer. Übrigens, Sie können dieser Dixon mitteilen, daß wir nicht vorhaben, sie zu hängen, vorausgesetzt allerdings, sie erweist sich als kooperativ.« Er öffnete die Tür.
»Und Molly, Sir?« sagte Jack.
»Um Himmels willen, Jack«, sagte Munro und ging.
Max flog mit der Lysander auf fünftausend Fuß Höhe durch eine zerrissene Wolkendecke. Weiter vorn sah es sogar noch düsterer aus, große dunkle Wolkenbänke und herbeiwehender Regen. Eisenhower und Sobel saßen hinten und kämpften mit lauter Stimme gegen das Dröhnen des Motors an.
Max dagegen hatte mit widerstreitenden Gefühlen zu kämpfen. Er hatte den Oberbefehlshaber kennengelernt, ihm die Hand geschüttelt, ihm ins Gesicht gesehen, und doch bedeutete ihm der Mann selbst nichts. Ihm war klar, daß es kinderleicht sein würde, die Walther zu ziehen, sich umzudrehen und Eisenhower mitten zwischen die Augen zu schießen. Aber das würde auch bedeuten, daß Sobel dran glauben müßte, Mollys Vater, was letztlich auch sie in dieser ganzen Chose zu einem Opfer machen würde. Was würde sein Bruder wohl empfinden, wenn er mit zwei Leichen in Morlaix angeflogen käme, von dem die eine der Vater jener Frau ist, die Harry liebte? Denn er liebte sie, auch wenn er sich vor dieser Tatsache noch so sehr verstecken wollte: Max wußte dies nun, nachdem er sie kennengelernt hatte.
Andererseits, was war mit Mutti? Bei dieser ganzen Sache ging es doch vor allem um sie. Falls er Eisenhower verschonte, wäre das für sie das Todesurteil und für Harry ebenfalls – darüber machte er sich keine Illusionen.
Was sollte er also tun? Nach Southwick fliegen und auf eine andere Gelegenheit warten – die dann vielleicht zu seinem eigenen Tod führen würde? Sich umdrehen und es hinter sich bringen? Max hatte sich in seinem ganzen Leben noch nie in einem so schlimmen Dilemma befunden. Er hatte Harry gesagt, daß er in die leibhaftige Hölle hinabsteigen würde, um beider Mutter zu retten – woher rührte also dieser seltsame Zustand der Lähmung?
Einen Moment später wurde ihm die Entscheidung aus der Hand genommen. Plötzlich war da ein Dröhnen, und die Lysander ruckte im Propellerstrom eines schwarzen Schattens, der über sie hinwegjagte und nach backbord abdrehte.
»Mein Gott, was ist das denn?« fragte Eisenhower.
»Eine Ju 88S, Nachtjäger«, sagte Max. »Kommen immer noch ein paar von Frankreich rüber und ziehen im Süden ihre Kreise, wo sie nach Beute suchen. Der Pilot da müßte eigentlich längst zu Hause beim Frühstück sitzen. Halten Sie sich fest, meine Herren.«
Max' Piloteninstinkt war geweckt worden. Er war bis in die Zehenspitzen konzentriert, als er die Lysander annähernd tausend Fuß absacken ließ. Die Junkers kam dicht von hinten und feuerte. Das Kanonengeschoß durchbohrte die linke Tragfläche und zerschmetterte die Windschutzscheibe. Die Junkers drehte im weiten Bogen ab.
»Er ist zu schnell für uns«, rief Max nach hinten. »Andererseits sind wir für ihn aber auch zu langsam.« Die Junkers war nun etwa eine Viertel Meile entfernt und wendete. Max setzte einen Funkspruch ab: »Lysander eins unterwegs nach Southwick, werden über den South Downs von einer Ju 88S angegriffen.«
Die Junkers kam wieder herbeigejagt. Max
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