Der Flug der Adler
wissen, und die hier gibt eine gute Geschichte ab.«
»Genau wie meine anderen guten Geschichten?« fragte ich.
»Mit dem Unterschied, daß es sich hier um die Wahrheit
handelt.« Er mußte wieder lachen. »Was soll's, zum Teufel noch mal, ich stehe mit einem Fuß im Grab. Wen kümmert's noch. Lassen Sie mich also ein paar Dinge richtigstellen.«
Was er dann auch tat, und wenige Monate darauf starb auch er.
Das Flugzeug, daß Denise beim Flugverein von Goodwood mietete war eine Archer, eine einmotorige Angelegenheit. Der Grund für unsere Reise war einfach. Ich hatte ein Manuskript der Geschichte an Zec Acland in Cold Harbour verschickt. Es war noch nicht alles so, wie ich es mir vorstellte, und hier und da taten sich verwirrende Lücken auf, aber ich wollte seine Meinung hören. Ich hatte mit ihm am Tag zuvor von meinem Haus in Chichester aus telefoniert und gefragt, ob wir vorbeikommen konnten.
Und da waren wir also und flogen bei grauem, Regen ankündigendem Himmel nach Westen, über Southampton und die Isle of Wight, voller Gedanken an das Buch, mit dem ich mich so lange beschäftigt hatte. Ich mußte an 1940 denken, an die Angriffe der Luftwaffe und an die RAF, wie sie aufstieg, um sich den Deutschen entgegenzustellen, an die Luftschlacht um England, an Harry und Max, sowie an die mutigen jungen Männer auf beiden Seiten, von denen mehr als die Hälfte starben. Es war eine deprimierende Vorstellung, all diese Flugzeuge auf dem Grund des Ärmelkanals liegen zu wissen und in einem davon die sterblichen Überreste von Oberstleutnant Baron Max von Halder.
Am Horizont rollte der Donner, und Denise drehte schräg ab, um vom Meer aus auf Cold Harbour zuzufliegen. Das Dorf breitete sich unter uns aus, das Pub The Hanged Man , die kleinen Häuschen und die Lady Carter, das Rettungsboot, das am Kai vertäut war. Wir rauschten über das Gutshaus hinweg, den See und die Bäume, und gingen auf der Graspiste nieder. Denise rollte zu den Hangars der Kriegszeit hinüber, wo ein alter Land-Rover auf uns wartete, an dem Zec Acland lehnte. Sie schaltete den Motor aus, und wir stiegen aus.
Zec kam uns entgegen, und Denise gab ihm einen Begrüßungskuß auf die Wange. »Sie sehen kein bißchen älter aus«, sagte sie.
»Sie wissen mit Worten umzugehen, meine Gute. Da drin haben sie bestimmt Tarquin?«
»O ja«, sagte sie.
»Bringen Sie ihn mit. Wir fahren auf ein Sandwich und einen Drink zum Hanged Man hinunter. Wir müssen uns mal unterhalten.«
»Aber gern«, sagte ich.
Er stieg in den Wagen, und wir setzten uns zu ihm – Tarquin in seiner neuen wasserdichten Tasche – und fuhren los.
Als wir die High Street hinunterfuhren, entfernte sich die Lady Carter gerade vom Kai und lief aufs Meer hinaus.
»Was ist los?« fragte ich. »Ein Notruf?«
»Nein, nur eine Übungsfahrt. Die Jungs müssen in Form bleiben. Simeon verlangt den Leuten alles ab.«
Er parkte vor dem Pub, und wir stiegen aus und gingen hinein. Es war niemand da, allerdings war es erst elf Uhr. Im Kamin brannte jedoch ein helleuchtendes Feuer, und ein Gefühl, all dies schon einmal gesehen zu haben, überkam mich, nicht nur, weil Denise und ich hier bereits einmal unter dramatischen Umständen eingekehrt waren. Es lag an dem, was alles hier passiert war. Dougal Munro, Jack Carter und Molly, Julie Legrande, Max und Harry.
»Betsy?« rief Zec.
Sie kam aus der Küche herein. »Hallo.«
»Wir sind soweit und warten nur noch auf dich und deine Sandwiches.« Er wandte sich an Denise. »Können wir uns ihn mal anschauen?«
»Natürlich.« Sie öffnete den Reißverschluß der Tasche, nahm Tarquin heraus und setzte ihn auf die Theke.
Zec nahm sich einen Stuhl und blickte den Teddybären lange an, und plötzlich bemerkte ich die Tränen in seinen Augen. »Du wundervoller kleiner Strolch«, sagte er.
Denise legte Zec einen Arm um die Schultern. »Ist schon gut, Zec, lassen Sie es sich nicht so nahegehen.«
»Sie haben recht. Das bringt nichts.«
Betsy kam mit einem Riesenberg Sandwiches und Salat herein. »Das Brot ist selbst gebacken und der Knochenschinken selbst geräuchert. Was möchten Sie trinken?«
»Für mich einen Tee«, sagte Denise. »Ich muß später noch fliegen.«
»Er hier mag Champagner«, sagte Zec. »Du kannst also ruhig die Flasche aufmachen, die ich in den Kühlschrank gelegt habe, ich werde auch einen Schluck trinken.«
Wir langten also zu und ließen
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