Der Flug der Adler
darauffolgenden
Woche brachten Harry und er Max nach New York auf die Queen Mary, die Kurs auf Southampton nahm, der ersten Station auf seiner Rückkehr ins Dritte Reich.
EUROPA 1934-1941
4
Max saß mit seiner Mutter auf
der Terrasse des Landsitzes und erzählte ihr alles über die
Fliegerei. Er holte Fotos von sich und Harry hervor, auf denen sie in
Fliegermontur und mit der Maschine im Hintergrund zu sehen waren.
»Ich werde fliegen, Mutti. Das ist etwas, in dem ich wirklich gut bin.«
Als sie ihm ins Gesicht blickte, sah
sie ihren Mann vor sich, und obwohl es ihr das Herz zerbrach, begegnete
sie ihrem Sohn möglichst unaufgeregt. »Sechzehn, Max. Das
ist noch sehr jung.«
»Ich könnte in den
Berliner Flugverein eintreten. Du kennst doch Hermann Göring. Der
könnte das sicher deichseln.«
Dem war nichts entgegenzusetzen. Max
nahm also in Begleitung seiner Mutter einen Termin bei Göring
wahr, und trotz den Zweifeln des Kommandeurs wurde ein
HenkelDoppeldecker bereitgestellt. Ein 23jähriger Leutnant namens
Adolf Galland, der eines Tages General der Luftwaffe werden sollte,
hatte sich ebenfalls dort eingefunden.
»Kannst du damit umgehen, Junge?« fragte er.
»Tja, also, mein Vater hat mit
dem britischen Fliegerkorps mindestens achtundvierzig von euren Dingern
abgeschossen. Ich werd's schon hinkriegen.«
Galland brach in lautes Lachen aus
und steckte sich einen Zigarillo zwischen die Zähne. »Ich
fliege gleich nach dir los. Schauen wir mal.«
Die Vorstellung, die die beiden dann boten, raubte
selbst Göring den Atem. Galland gelang es nicht, Max auch nur eine
Sekunde lang abzuschütteln, und der Immelmann-Überschlag gab
jenem schließlich den Rest. Galland machte zur Landung kehrt, und
Max folgte.
Göring, der neben seinem
Mercedes stand, nickte einem Diener zu, der sogleich Kaviar und
Champagner herbeischaffte. »Hat mich in meine Jugend
zurückversetzt, Baronin. Der Junge ist ein Genie.«
Das war nicht einfach nur
dahingesagt, den Göring war selbst einmal ein großer
Kampfflieger gewesen, und er hatte es nicht nötig, sich vor irgend
jemandem zu rechtfertigen.
Galland und Max kamen zu ihnen
herüber. Galland war offensichtlich völlig aus dem
Häuschen. »Phantastisch. Wo hast du das alles gelernt,
Junge?«
Max klärte ihn auf, und Galland konnte darüber nur den Kopf schütteln.
An jenem Abend dinierte Galland mit
Göring, von Ribbentrop, Elsa und Max im Hotel Adlon. Der
Champagner floß in Strömen.
»Was fangen wir also mit dem Kerlchen da an?« sagte Göring, an Galland gewandt.
»Er wird nächstes Jahr
erst siebzehn«, sagte Galland. »Darf ich einen Vorschlag
machen?«
»Raus mit der Sprache.«
»Stecken Sie ihn in eine
Kadettenanstalt hier in Berlin, nur damit alles offiziell ist. Sorgen
Sie dafür, daß er im Flugverein fliegen kann. Nächstes
Jahr, wenn er siebzehn ist, übernehmen Sie ihn im Range eines
Leutnants in die Luftwaffe.«
»Das gefällt mir.« Göring nickte und wandte sich Max zu. »Und Sie, Herr Baron?«
»My pleasure«, antwortete
Max Kelso. Seine amerikanische Hälfte kam bisweilen spontan zum
Vorschein.
»Und die Tatsache, daß
mein Sohn einen Amerikaner zum Vater hat, stellt keinen Hinderungsgrund
dar?« wollte Elsa wissen.
»Nicht im geringsten. Haben Sie nicht von Hitlers neuer
Regelung gehört?« sagte Göring.
»Der Baron ist per Gesetz Bürger des Dritten Reiches, ob er
will oder nicht.«
»Da ist nur ein Problem«, warf Galland ein.
»Und das wäre?« fragte Göring.
»Ich bestehe darauf, daß
er so freundlich ist, mir ein paar Kniffe beizubringen, insbesondere
diesen Immelmann Überschlag.«
»Nun, den könnte ich Ihnen
noch beibringen«, sagte Göring, »aber ich bin sicher,
daß der Baron nichts dagegen hat.« Er drehte sich zur
Seite. »Max?« Es war das erste Mal, daß er ihn so
anredete.
»Schade, daß mein
Zwillingsbruder Harry nicht da ist, Leutnant Galland«, sagte Max.
»Wir würden Ihnen die Hölle schon heiß
machen.«
»Nun ja«, sagte Galland.
»Wissen kommt von Erfahrung. Sie sind etwas Besonderes, Herr
Baron, das können Sie ruhig glauben. Und sagen Sie bitte Dolfo zu
mir.«
Es sollte der Beginn einer einzigartigen Freundschaft werden.
In Amerika ging Harry eine Zeitlang
aufs Groton, brachte aber nur selten die Disziplin auf, sich auf den
Hosenboden zu setzen, um zu lernen, denn die Fliegerei war sein ein und
alles, und er
Weitere Kostenlose Bücher