Der Flug der Adler
und
selbst unstreitig adelig, wäre zweifellos ein Gewinn für die
Partei. Sie lernte sie alle kennen – Hitler, Goebbels, von
Ribbentrop – und war der gefeierte Star der Berliner Salons.
Hitler hatte 1933 dann die Macht an sich gerissen. 1934
erlaubte Elsa ihrem Sohn, für ein halbes
Jahr nach Amerika zu gehen, um seinen Großvater und seinen Bruder
zu besuchen, der als externer Schüler ein Internat besuchte. Abe
war überglücklich, ihn zu sehen. Was die beiden Brüder
betraf, so war es, als wären sie nie getrennt gewesen. An ihrem
Geburtstag überraschte Abe sie mit einem ganz besonderen Geschenk.
Er nahm sie auf den Flugplatz mit, von dem aus ihr Vater immer geflogen
war, wo sie Rocky Farson antrafen, älter zwar, ein wenig
rundlicher, aber nach wie vor das alte Fliegeras der Westfront.
»Rocky wird euch ein paar
Flugstunden geben«, sagte Abe. »Ich weiß, ihr seid
erst sechzehn, aber was soll's, verdammt noch mal. Bloß,
daß eure Mutter nichts davon erfährt!«
Rocky Farson unterrichtete sie in
einem alten GreshamDoppeldecker. Irgend jemand hatte das Cockpit im
Heck zur Beförderung von Postsäcken erweitert, was bedeutete,
daß sich beide dort hineinzwängen konnten. Natürlich
flog er auch mit jedem einzeln, und er merkte bald, daß sie
geborene Piloten waren, ganz wie ihr Vater. Und ebenfalls wie ihr Vater
hatte derjenige, der gerade flog, Tarquin im Cockpit.
Rocky ging mit ihnen weit über
normale Pilotenübungen hinaus. Er erteilte ihnen regelrechten
Schulunterricht über die Kunst des Luftkampfes. Sei darauf gefaßt, aus der Sonne kommt die Teutonenkolonne, war einer der beliebtesten Sprüche. Niemals allein unter zehntausend Fuß fliegen. Niemals länger als dreißig Sekunden geradeaus und auf gleichbleibender Höhe fliegen.
Abe, der ihnen einmal zusah, sagte,
nachdem sie gelandet waren, zu Rocky: »Teufel auch, sieht ja
beinahe so aus, als würdest du sie auf einen Krieg
vorbereiten.«
»Wer weiß, Herr
Senator?« sagte Rocky, denn zu dieser Position hatte es Abe Kelso
inzwischen gebracht. »Wer weiß?«
Die beiden waren von so einzigartiger Begabung, daß Rocky
mit dem Geld des Senators zwei speziell zum
Flugunterricht geeignete Curtis-Doppeldecker erstand und abwechselnd
mit ihnen flog, um sie auf neue Höhen der Flugerfahrung zu
führen.
Im Ersten Weltkrieg hatte sich das große deutsche Fliegeras
Max Immelmann einen großartigen Trick
einfallen lassen, mit dem er sich zwei Abschußmöglichkeiten
bescherte, sich selbst aber nur einer aussetzte. Es war der
berühmte Immelmann Überschlag, der früher praktisch zum
Einmaleins eines jeden Westfrontpiloten gehörte, mittlerweile aber
völlig in Vergessenheit geraten war, sowohl beim U.S. Air Corps
als auch bei der RAF.
Man stürzte auf den Feind hinab,
zog die Maschine im halben Looping wieder hoch und flog eine Rolle, aus
der man etwa fünfzehn Meter über dem Gegner wieder herauskam.
Als Rocky mit den beiden Brüdern fertig war, waren diese wahre
Meister darin.
»Die beiden sind erstaunlich
– wirklich erstaunlich«, sagte Abe zu Rocky, während
sie in der Kantine des Flugplatzes saßen.
»In den alten Zeiten wären
sie regelrecht Fliegerasse gewesen, Herr Senator. Genau die richtige
Beschäftigung für einen jungen Mann. Ich habe Jungs im
Fliegerkorps gekannt, die schon in jungen Jahren vier Auszeichnungen
erhalten haben und mit einundzwanzig Major waren. Es ist, als wäre
man ein großer Sportler. Entweder man hat's, oder man hat's
nicht, eben den genialen Touch, und die Zwillinge haben ihn, glauben
Sie mir.«
Die Jungen standen an der Bar,
unterhielten sich still und tranken Orangensaft. Abe sah zu ihnen
hinüber und sagte: »Ich glaube, Sie haben recht, aber wozu
das alles? Ich weiß, daß es zur Zeit etwas im Gebälk
kracht, aber einen Krieg wird es nicht wieder geben. Dafür werden
wir sorgen.«
»Das hoffe ich auch, Herr Senator«,
sagte Rocky. Letztlich jedoch sollte ihn all dies nicht mehr betreffen.
Er hatte die alte Bristol überholen lassen und sie eines Tages
probegeflogen. Auf fünfhundert Fuß war der Motor
ausgefallen.
Auf Rockys Beerdigung lief es Abe, der etwas
abseits von den Jungen stand und sie betrachtete, eiskalt den
Rücken hinunter, als er bemerkte, daß sie genauso wirkten
wie auf der Beerdigung ihres Vaters: geheimnisvoll, entrückt und
verschlossen. Ihr Anblick erfüllte ihn mit einem seltsamen,
unguten Gefühl. Aber was sollte er machen? In der
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