Der Flug der Aurora – Die Frontier-Saga (1): Die Frontier-Saga 1 (German Edition)
das ist ein Gefühl, ein Instinkt. Und Instinkt kann man nicht lehren. Entweder man hat ihn, oder man hat ihn nicht. Man kann ihn schärfen, aber mitbringen muss ihn jeder selbst.«
Nathan war sich unsicher, ob er den Captain richtig verstanden hatte.
»Genau, Fähnrich Scott. Sie haben ihn. Mann, Sie haben ihn im höchsten Maße. Aber das ist Ihnen entweder nicht klar, oder Sie glauben nicht daran. Ich bin mir noch nicht sicher, was davon zutrifft.« Der Captain richtete sich auf, trat wieder hinter den Schreibtisch und setzte sich. »Fähnrich Taylor hingegen hat ihn nicht. Sie ist sicherlich eine gute Pilotin. Und sie behält eindeutig einen kühlen Kopf, wenn sie unter Druck steht. Das heißt, sie gibt die perfekte Navigatorin ab, und eine überaus tüchtige noch dazu. Aber sie gehört nicht ans Steuer.«
Auf einmal dämmerte es Nathan. »Wollen Sie damit sagen …«
»Ja, Sie sind mein neuer Steuermann, Fähnrich Scott.«
Nathan glaubte, sich verhört zu haben. »Aber, Sir, glauben Sie nicht, es wäre …«
»Vielleicht wäre jetzt ein einfaches ›Danke, Sir‹ angemessen.«
»Natürlich. Danke, Sir. Es ist nur so, dass Fähnrich Taylor bei den Sims viel besser abgeschnitten hat als ich. Mann, bei mir hat’s doch andauernd gekracht oder gebrannt!«
»Aber nicht jedes Mal, Fähnrich. Sie haben ein paar Situationen bewältigt, die eigentlich ausweglos waren!«
»Aber ich verstehe trotzdem nicht …«
»Sie sollten nicht so streng mit sich sein, mein Junge«, sagte der Captain. »Oder glauben Sie wirklich, die Flotte hätte mir ausgerechnet die Absolventen vorgesetzt, die sonst niemand haben wollte? Mann, ich habe mir jeden Einzelnen von Ihnen persönlich ausgesucht.«
Nathan war baff. Bis jetzt war er überzeugt gewesen, seine Versetzung zur Aurora sei entweder ein Witz kosmischen Ausmaßes oder die Folge einer Intervention seines Vaters.
»Ich habe Sie als Steuermann ausgewählt und Fähnrich Taylor als Navigatorin. Wollen Sie wissen weshalb? Aus zwei Gründen. Erstens weil Sie beide für den Job perfekt geeignet sind, und zweitens, weil Sie so gegensätzlich sind. Sie entsprechen genau den Anforderungen. Jetzt muss ich nur noch verhindern, dass Sie beide sich streiten wie ein altes Ehepaar und stattdessen zusammenarbeiten.«
Von der plötzlichen Wendung schwirrte Nathan der Kopf. Vor zehn Minuten war er noch sicher gewesen, man werde ihn rauswerfen. Und jetzt bot man ihm den Job des Chefpiloten an, was obendrein eine Beförderung mit sich brachte.
»Sir«, sagte Nathan, »dürfte ich eine Frage stellen?«
»Bitte sehr.«
»Wenn Sie von Anfang wussten, wie Sie die Positionen besetzen wollten, weshalb haben Sie uns dann rotieren und miteinander konkurrieren lassen?«
»Das ist eine ausgezeichnete Frage«, sagte der Captain, dem es zu gefallen schien, dass Nathan endlich mal nachdachte, anstatt nur zu reagieren. »Ich wollte erreichen, dass Sie den Job wirklich haben wollen und begreifen, dass Sie imstande sind, den Pilotensessel einzunehmen. Und ein bisschen Abwechslung beim Training schadet nicht.«
Nathan schwieg einen Moment und vergegenwärtigte sich alles, was der Captain in den vergangenen zehn Minuten gesagt hatte.
Captain Roberts öffnete eine Schreibtischschublade, nahm ein kleines schwarzes Etui hervor und warf es Nathan zu. »Ich möchte, dass Sie die anlegen, Lieutenant Scott.«
Nathan öffnete das Etui, darin waren die Rangabzeichen eines Lieutenants.
»Sie haben beide den Nachmittag frei, ruhen Sie sich ein bisschen aus. Morgen punkt acht treten Sie zum Dienst an.«
»Jawohl, Sir!« Nathan nahm Haltung an und salutierte.
»Entlassen, Lieutenant.«
Nathan ging zum Ausgang, drehte sich aber noch einmal zum Captain um und sagte: »Danke, Sir.«
Als Erstes wollte Nathan die Neuigkeit Wladimir mitteilen, seinem bisher einzigen Freund an Bord. Da er noch nie weiter gekommen war als bis zum Hangar, verirrte er sich ein wenig in den Gängen der unteren Achterdecks, wo die technischen Anlagen untergebracht waren. Er wollte die Suche schon aufgeben, als er in der Nähe erhobene Stimmen hörte. Nathan ging weiter und stellte fest, dass die eine Person Wladimir war. Als er um die Ecke bog, fand er sich auf dem Flur vor dem steuerbordseitigen Generatorraum wieder, der vom Team für Spezialprojekte genutzt wurde.
»So viel Energie kann ich nicht zur Verfügung stellen«, sagte Wladimir gerade zu Doktor Sorenson.
»Können Sie nicht, oder wollen Sie nicht?«, entgegnete sie
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