Der Flug der Libelle
Klopfen von Dämpfstäben, die mit Geschwindigkeiten, wie sie nur in Notfällen vorkommen, in einen Reaktorkern gerammt werden. Der Schub setzte aus.
»Reaktor überhitzt «, meldete Jill. »Wir haben in dem Umlauf unseres mit flüssigem Natrium gefüllten Wärmeau s tauschers ein größeres Leck. «
»Das war Korrosion durch das Wasser des Ozeans «, e r klärte Karin. »Ich habe das befürchtet, aber wir konnten nichts dagegen tun. «
»Auf Monotreibstoff umschalten! « brüllte George. Er g e riet langsam in Panik. »Wir müssen Höhe bekommen! «
»Die Tanks für Monotreibstoff stehen nicht mehr mit dem Strahltriebwerk in Verbindung «, erinnerte Jill.
»Dann das Luftstrahltriebwerk zünden! Es muß etwas g e schehen! «
»Ich werde in Gleitflug gehen «, sagte eine ruhige Sti m me. Unter befangenem Schweigen neigte sich die › Libelle ‹ , als die zarte Pilotin ein Gleichgewicht zwischen der Welle über und hinter ihnen herstellte. Sie ritt auf der Luftblase, die vor der Wassermauer vorangetrieben wurde.
Als erfahrene Segelfliegerin glitt Arielle vor der Ringwe l le vorwärts und rückwärts. Jedesmal gewann sie dabei etwas an Höhe. Der Kamm der Welle war immer noch hoch über ihnen und wurde noch größer, je näher sie dem inneren Pol kamen.
Arielle rief ein Videobild für geringe Beleuchtungsstärke vom Comsat ab, um die zu einem zentralen Punkt konve r gierende Ringwelle zu sehen. Auf der einen Seite des Rings war als Punkt die › Libelle ‹ , deren Landescheinwerfer sie im All sichtbar machten. Arielle starrte lang auf den Schirm. Si e b eurteilte die Bewegung des Flugzeugs und der zusa m menlaufenden Welle und suchte sich den Ring unsichtbarer Luft vorzustellen, die genau in dem konvergierenden Wa s serring eingefangen war. Plötzlich senkte sie den Bug des ruhig dahingleitenden Flugzeugs. Sie tauschte Höhe gegen Tempo ein. So sauste sie zur Oberfläche der Welle hinab und hinaus auf den flachen Ozean. Die Welle ließ sie vor ü bergehend hinter sich.
»Genau wie die Klippen von La Jolla [22] «, sagte sie, als sie direkt auf die gegenüberliegende Mauer der zwanzig Kil o meter hohen Ringwelle zuraste. Jetzt gab sie kinetische Energie auf, um Höhe zu gewinnen, zog die › Libelle ‹ steil empor und riß sie fast senkrecht nach oben. Beim Abklingen des Manövers erwischte sie den Scheitel des Luftgeysirs, der aus dem Ringzentrum aufstieg. Sie wurden in die Höhe g e schleudert, und Arielle kämpfte sich aus dem turbulenten Zentrum zu den kräftigen auswärts gerichteten Winden durch.
George blickte fasziniert auf seinen Schirm, der den ko n vergierenden Ring aus weißem Wasser so zeigte, wie der Nachrichtensatellit ihn sah. Der Ring zog sich zu einem schäumenden Kreis zusammen.
»Der Wassergeysir ist ausgebrochen «, sagte Karin. »Du solltest uns lieber auf eine Seite bringen. Das Wasser b e sitzt sehr viel mehr Energie und Trägheit als die Luft und wird mit hoher Geschwindigkeit hierher emporschießen. «
Arielle nickte und steuerte schräg nach oben und au s wärts.
»Wir befinden uns nur noch zehn Kilometer von dem Punkt der Schwerelosigkeit entfernt «, sagte David, der eine Kursgraphik auf seinem Konsolenschirm verfolgte.
Arielle gestattete sich ein leichtes Lächeln.
»Das schaffen wir leicht «, sagte sie. »Dann geht es nur noch bergab zur Rocheweltbasis. Wie weit ist das noch? «
»Fünfzehnhundert Kilometer «, sagte David. Arielle war einen Augenblick still.
»Na schön, ich bin vierzig Kilometer hoch. Leider ist meine › Libelle ‹ kein richtiges Segelflugzeug. Dann wäre es einfach. Wir werden sehen …« Alle hingen lose in ihren Sitzen, als die › Libelle ‹ durch das schwerelose Nadelöhr schoß und nach unten auf Roche losflog.
»Schaut einmal nach vorn! « sagte Arielle und zeigte auf eine feine Linie roten Lichts auf dem dunklen Globus, der vor ihnen lag. »Wir sind auf der anderen Seite herausg e kommen. Auf Rocheweltbasis beginnt die Morgendämm e rung. «
»Da kommt der Geysir «, sagte Karin, die mit Hilfe der Panoramageräte die Szene achteraus verfolgte.
George übernahm das Bild von Karins Bildschirm. Es war sehr bedauerlich, daß das Sonnenlicht noch eine weitere Stunde lang nicht die inneren Pole erreichen würde. Wenn es schon auf dem Infrarotscanner so eindrucksvoll war, wäre es in Video noch viel faszinierender gewesen.
»Wie dick ist der Geysir, sagst du? « fragte er.
»Ungefähr zehn Kilometer «, sagte Karin. »Die Säule b e ginnt
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