Sphäre
7. August 3134
Anastasia Kerensky schaute mit zusammengekniffenen Augen aus dem Fenster des Hauptquartiers der planetaren Polizei. »Bewegt sich der Falke noch?«, fragte sie mit dem Blick auf eine Leiche, die von einem der verzierten gusseisernen Laternenpfähle draußen im Park hing. »In der Dunkelheit ist es schlecht zu erkennen.«
Das Licht mehrerer noch funktionierender Laternen zeigte, dass die Bäume die ersten Knospen trieben und der Boden unter ihnen zertrampelt war. Der mit Schneidedrahtspiralen gekrönte Maschenzaun, der das improvisierte Geisellager umschlossen hatte, in das die von Malvina Hazen zurückgelassene Militärregierung den Park verwandelt hatte, war zum größten Teil niedergetrampelt.
Ian Murchison stierte aus dem Fenster. Er machte ein verkniffenes Gesicht, doch es war schwer zu sa-
gen, ob das ein Ausdruck von Widerwillen war oder einen anderen Grund hatte. Widerwillen spielt sicher eine Rolle, entschied sie.
»Ich würde sagen, gerade hat noch ein Bürger auf die Leiche geschossen«, antwortete er. »Oder vielleicht auch einen Stein danach geworfen. Ich kann nicht erkennen, ob jemand nahe genug dafür ist.«
»Bist du über das verärgert, was ich mit der FalkenGarnison getan habe?«, fragte sie und biss in eine der hiesigen Früchte. Der saure Geschmack ließ sie das Gesicht verziehen und sie griff nach einer anderen. »Oder dass ich die Überlebenden der Justiz der Einheimischen überlassen habe?«
»Lynchjustiz ist niemals ein schöner Anblick.«
Sie zuckte die Achseln. »Ich fand, die hiesige hatte eine ganz eigene Ästhetik. Besonders, als sie Sterncap-tain Simon in Schneidedraht gewickelt haben. Das war bemerkenswert originell.«
Ihr persönlicher MedTech schnitt eine Grimasse.
»Nun ja, jeder nach seinem Geschmack.« Sie hob eine Augenbraue. »Obwohl ich kaum erwartet hätte, dass du an die Falken Mitgefühl verschwendest, nach allem, was sie dieser Welt angetan haben.«
»Ich muss zugeben, dass ich nicht weiß, wie ich mich verhalten sollte«, bemerkte Murchison. »Das ist für mich allerdings nichts Neues, wie Sie ohne Zweifel wissen.«
Wieder zuckte sie die Achseln und spie den Stein der Frucht, die sie gegessen hatte, in einen metallenen Papierkorb, der unter dem Aufprall schepperte.
»Ich bin enttäuscht, dass wir Galaxiscommander Malvina Hazen verpasst haben. Ich freue mich darauf, ihre Bekanntschaft zu machen. Aber zumindest wissen wir, wohin sie unterwegs ist.«
Sie grinste auf eine entschieden, nun ja, wölfische Manier. »Und ich muss schon sagen, es war verdammt anständig von dem Idioten, den sie nach Kimball geschickt hat, uns ein bestens erhaltenes Sprungschiff der Händler-Klasse zu überlassen. Das allein garantiert doch schon, dass sich dieses kleine Unternehmen für die Stahlwölfe rentiert.«
»Es ist nicht das, wofür Sie gekommen sind.«
Sie blickte ihm durch das dunkle Büro entgegen. Eine Leuchtstoffröhre an der Decke blinkte an und aus wie ein Blinzeln. »Nein«, sagte sie leise. »Das nicht. Ich will Blut.«
Yarak
»der: -s,
Falknerei:
Der Jagdeifer bei Greifvögeln.«
- Vollständiges Wörterbuch der deutschen Sprache, CCCXV. Auflage, Duden-Institut, Donegal, Lyranisches Commonwealth, 3032
Zenitsprungpunkt, Skye-System Präfektur IX, Republik der Sphäre
10. August 3134
Die Jadefalken-Flotte sammelte sich. Von Glengarry kam Beckett Malthus in seinem Nightlord, von Su mm er kam Aleksandr Hazen. Seine Koschwester Malvina war als Erste von Zebebelgenubi im Skye-System eingetroffen und hatte als Erstes die unbemannte Beobachtungsstation zerstört.
Malvina kochte vor Wut. Sie hatte am Zebebelge-nubi-Sprungpunkt auf Sterncolonel Noritomo Helmer gewartet, der ohne eine auf Kimball II zurückgebliebene Garnison von der Eroberung dieses Planeten hätte zurückkehren sollen. Als der vereinbarte Zeitpunkt kam, Helmer aber nicht, war sie gezwungen gewesen, ohne ihn nach Skye zu springen. Sie dachte nicht daran, das große Abenteuer zu verpassen, den Höhepunkt ihres gewaltigen, verzweifelten Unternehmens.
Die wiedervereinigte Flotte wartete noch einen Tag am Sprungpunkt auf Helmers Sprungschiff. Ein Überraschungselement gab es nicht. Skyes Verteidiger wuss-ten seit Wochen, dass sie kamen. Ein Tag würde keinen nennenswerten Unterschied machen, argumentierte Bec Malthus - obwohl Aleks Hazen für einen sofortigen Aufbruch ins Systeminnere plädierte.
Malthus nutzte den vierundzwanzigstündigen Aufenthalt dazu, ein Kurultai