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Der Fluss

Der Fluss

Titel: Der Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Paulsen
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dachte Brian. Und er entschloss sich, lieber das Mit tagessen zu kochen.
    Er kochte gern, neuerdings. Auch dies war eines der Dinge, die sich für ihn verändert hatten, seit der Zeit damals in der Wildnis. Wenn er daran zurückdachte, nannte er sie nur »die Zeit«. Einfach so: die Zeit.
    Wenn er Debbie mit leisen Worten davon zu erzählen versuchte – wenn er versuchte, alles zu erzählen, auch von dem Moment, als er sein Leben wegwerfen wollte – wenn er ihr davon zu erzählen versuchte, begann er immer nur mit den Worten: »Weißt du, die Zeit damals …«
    Ein Jahr war vergangen und es hatte sich nicht viel ver ändert – in seiner Welt: Seine Mutter traf noch immer je nen Mann, aber nicht mehr so oft. Und Brian dachte, es würde vielleicht von selbst aufhören, was immer sie mit einander hatten. Die Scheidung aber war endgültig und würde es wahrscheinlich bleiben. Er hatte seinen Vater besucht, nach der Zeit damals, und herausgefunden, dass dieser sich in eine andere Frau verliebt hatte, die er hei raten wollte.
    Das Leben ging weiter wie vorher.
    Tag für Tag.
    Doch Brian hatte sich verändert – ganz und gar.
    Und eines der Dinge, die sich für ihn verändert hatten, war die Tatsache, dass er das Kochen jetzt liebte. Nah rung zuzubereiten, ja, das Essen nur anzusehen – das war etwas, was ihn sehr an die Erlebnisse in der Wildnis erin nerte. Er liebte es, die Sachen aus dem Kühlschrank zu holen, aus der Vorratskammer, sie herzurichten und dann zu kochen und auf den Tisch zu stellen und zu es sen … Jeden Bissen bewusst zu kauen, das Essen kennenzulernen und andere Menschen beim Essen zu beobach ten. Manchmal saß er nur da und schaute zu, wie seine Mutter aß, was er gekocht hatte, und einmal wurde sie so verlegen, dass sie den Kopf hob und ihn ansah, ein Stück geschmortes Fleisch auf der Gabel über dem Teller.
    »Was ist los?«
    »Ich schau dir nur beim Essen zu«, sagte er. »Es ist doch etwas Wunderbares, das Essen. Einfach zu sehen, wie jemand isst. Das ist wirklich etwas …«
    »Geht es dir gut?«, fragte sie.
    Natürlich nicht, dachte er; oder vielleicht war es so, dass es ihm jetzt gut ging, so gut wie noch nie im Leben? Aber er lächelte nur und nickte.
    »Klar, prima.«
    Er wusste aber viel mehr, was er ihr hätte sagen kön nen – was er aber nicht sagen konnte. Was er niemandem sagen konnte, weil es niemanden gab, der ihn verstanden hätte.
    Nach seiner Rettung hatten die Eltern verlangt, dass er zu einem Psychologen ging, nur zur Beratung, und er war hingegangen – um die Eltern zu beruhigen. Aber es hatte nichts genützt.
    Der Psychologe glaubte, Brian sei irgendwie seelisch verletzt, durch ein Trauma geschädigt – aber in Wahrheit war es das genaue Gegenteil. Er hatte versucht, dem Psy chologen zu sagen, dass er sich besser fühlte als je zuvor; dass er reicher geworden war – nicht nur ein Jahr älter, fünfzehn jetzt. Da war mehr. Viel mehr. Aber der freund liche Psychologe hatte ihn nicht verstanden. Er konnte ihn nicht verstehen, weil er nicht mit Brian die Wildnis erlebt hatte. Die Zeit damals.
    »Ich habe das Feuer entdeckt«, hatte Brian zu dem Psychologen gesagt.
    »Na, schön. Aber jetzt bist du wieder zu Hause.«
    »Nein«, hatte Brian ihn unterbrochen. »Sie verstehen mich nicht. Ich habe wirklich das Feuer entdeckt. Ähnlich wie irgendein Mensch es vor Jahrtausenden entdeckte. Ich habe das Feuer entdeckt – dort, wo es seit ewigen Zeiten im Stein verborgen lag, als hätte es auf mich gewartet. Ganz egal, ob wir Zündhölzer oder Feuerzeuge haben, ganz egal, wie leicht wir hier in dieser Welt Feuer machen können – ich habe wirklich und wahrhaftig das Feuer entdeckt. Es war eine große Sache. Wirklich, eine sehr große Sache …«
    Der Psychologe hatte lächelnd an seinem Schreibtisch gesessen und mit dem Kopf genickt. Er hatte versucht zu verstehen, wovon Brian sprach.
    Aber er konnte nicht verstehen. Und auch weiterhin musste Brian sein ganzes Verhalten in dieser neuen Welt, die ihn nach seiner Wiedergeburt in der Wildnis – so stellte er es sich vor – umgab, darauf einstellen, musste sein Wissen verbergen, sein Geheimnis hüten. Hätte er die Wahrheit gesagt, so hätte ihm niemand geglaubt. Und wenn er schwieg, was er dann zunehmend tat, glaubten die anderen, er sei krank.
    Er konnte niemandem klarmachen, was er fühlte.
    Jetzt holte er zwei Schweineschnitzel aus der Kühlbox und taute sie in der Mikrowelle auf. Er holte das Koch buch hervor und schlug die

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