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Der Fluss

Der Fluss

Titel: Der Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Paulsen
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Karte und stellte im Kopf ein paar Berechnungen an. Es sah gar nicht schlecht aus.
    Hundert Meilen auf einem unbekannten Fluss?
    Vor ein paar Tagen, als das Flugzeug auf dem See landete, hatte Brian den Fluss gesehen. Er hatte die Strö mung beobachtet. Das Wasser glitt ungefähr mit der Geschwindigkeit eines Fußgängers dahin. Das waren vielleicht drei Meilen pro Stunde. Natürlich war damit nicht gesagt, dass es immer mit dieser Geschwindigkeit fließen würde. Aber es war ein Anhaltspunkt.
    Wenn er sich der Strömung anvertraute und das Floß immer in der Flussmitte hielt, konnte er eine Strecke von hundert Meilen vielleicht in dreißig bis vierzig Stunden überwinden. Die Landkarte zeigte, dass der Fluss all mählich breiter wurde und stellenweise durch hügeliges Gelände floss – dort, wo die Höhenlinien der Karte enger beisammen standen. Dort mochte die Strömung auch etwas schneller sein.
    Anderthalb Tage, dachte er. Und für Derek wieder holte er noch einmal laut: »Anderthalb Tage. Ein langer Tag – und ein halber. Wenn wir ohne Rast und Pause auf dem Fluss bleiben, immer weiterfahren, wird die Fahrt bis zum Handelsposten anderthalb Tage dauern. Viel leicht auch zwei Tage.« Und dies – dachte er, ohne es aus zusprechen – ist viel besser als sieben oder zehn Tage …
    Viel besser als der Tod.
    Zweimal strömte der Fluss, wie die Karte zeigte, durch kleinere Seen – am einen Ende hinein und am anderen wieder hinaus. Wahrscheinlich gab es auch Tümpel und Sümpfe, wo die Strömung langsamer floss.
    Wie langsam, das konnte Brian nicht wissen. Aber er dachte, dass er mit einem Paddel oder mit einer Stange zum Staken nachhelfen konnte und nicht allzu viel Zeit verlieren würde.
    Zeit.
    Da saß er und studierte die Karte – und hatte doch nur das eine Gefühl, dass die Zeit verrann.
    Er musste das Floß bauen!
    Noch einmal kontrollierte er Dereks Zustand. Er ver gewisserte sich, ob Atmung und Puls noch immer gleich mäßig waren, dann machte er sich auf den Weg, um Holz für ein Floß zu suchen.
     
    Holz war eigentlich kein Problem, hier im Wald. Aber er hatte kein Werkzeug. Damals, in der Zeit , als er das Überlebenspaket aus dem gesunkenen Flugzeug hatte bergen wollen, hatte er ja sein Pfadfinderbeil dabeigehabt. Mit einem Beil hätte man ein Floß bauen können … Aber nach seiner Rettung hatte seine Mutter das Beil – zum Andenken – in die Glasvitrine gelegt, wo sie das von der Großmutter geerbte Festtagsgeschirr aufbewahrte. Und als Brian mit Derek zu diesem neuen Abenteuer aufbrach, hatte er nur einen wehmütigen Blick auf die Vitrine geworfen: Nein, dachte er, es war nicht realistisch, ein Beil mitzunehmen.
    »Die meisten Menschen haben ein Messer dabei«, hatte Derek gesagt. »Wer trägt schon ein Pfadfinderbeil am Gürtel, wenn er in eine Notlage kommt?«
    Darum hatte Brian diesmal nur ein Messer. Halt, eigentlich hatte er zwei Messer. Er hatte auch Dereks Messer – dies hätte er fast vergessen.
    Aber was nützten zwei Messer, wenn es jetzt galt, Bäume zu fällen?
    Holz gab es hier am See genug. Es gab Fichten und Kiefern, die durch die Stürme der letzten Jahre gefällt worden waren. Manche hatten sogar den richtigen Durchmesser als Balken für ein Floß – zwanzig bis drei ßig Zentimeter. Aber einige waren nicht gerade gewach sen, andere waren zu lang oder noch mit dem Wurzel werk verbunden. Also nicht geeignet für ein Floß.
    Brian zog am Ufer entlang, die Hügel hinauf und wie der zurück zum Ufer – und schließlich entdeckte er ein größeres Pappelwäldchen, wo Biber am Werk gewesen waren.
    Was wusste er über Biber? Nur, dass sie am Wasser lebten und Bäume abnagten, aus denen sie Dämme und kunstvolle Burgen bauten. Außerdem sahen sie lustig aus, wenn sie – die Nase hochgereckt – im Wasser schwammen. Er hatte noch nie einen Biber gesehen, kannte die Tiere nur aus Fernsehfilmen – aber er wusste, dass sie hervorragend Bäume fällen konnten. Dieses Pappelwäldchen war ein Beweis dafür. Im Um kreis von hundert Metern war kaum ein Baum stehen geblieben.
    Überall ragten Baumstümpfe mit den Zahnspuren der Biber aus dem Boden und die gefällten Bäume lagen so dicht, dass es aussah, als hätten Riesen hier Mikado ge spielt und ihr Spiel plötzlich abgebrochen.
    Anscheinend hatten die Biber schon jahrelang in dem Wäldchen gearbeitet. Sie hatten nicht nur Pappelstämme gefällt, manche sogar im richtigen Durchmesser für ein Floß, sie hatten sogar die Stämme in Balken

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