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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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Botschaft verbarg sich auf diesen Seiten? Auf keinen Fall möchte ich dir noch größeren Schmerz zufügen …
    Ja, er hatte Schmerzen gelitten. Ohne Zweifel. Nachdem er von Colettes Tod erfahren hatte, hatte er sich tagelang in seinem Zimmer vergraben und im Alkohol Vergessen gesucht.
    Mein Gott! Charmaines Puls schlug rascher. Colette und John. John und Colette. Ein Liebespaar? Niemals. Eine platonische Liebe? Vielleicht. Aber wie und warum? Es machte keinen Sinn – und doch passte alles perfekt zusammen. Sie wollte es nicht glauben, war sicher, dass ihre Einbildung sie zum Narren hielt. Doch je weiter sie diese Bilder von sich schob, desto schneller kehrten sie zurück. Verwirrt schloss sie die Augen, um ihre Gedanken zu ordnen. Aber vergeblich. Ein Geräusch ließ sie aufsehen. John war zur Decke zurückgekehrt.
    »Müde?«, fragte er.
    »Ein bisschen«, murmelte sie, als er sich neben ihr niederließ.
    »Reiten kann ganz schön anstrengend sein.« Er schlang die Arme um die Knie und blickte aufs Wasser hinaus.
    Da er nichts von ihren Gedanken ahnte, konnte sie ihn in Ruhe betrachten. Die Brise spielte in seinem lockigen Haar, und das Sonnenlicht schimmerte auf den helleren rotblonden Strähnen, die sich über seinen Ohren und dem Kragen ringelten. Als er die Hand hob, um eine Strähne zurückzustreichen, fiel ihr Blick auf das Spiel seiner Muskeln unter dem Hemd. Sie musste kräftig einatmen, weil ihr Herz plötzlich klopfte und ein seltsames Gefühl in ihr emporstieg. Sie sah ihn an, wie eine Frau einen Mann ansieht und wie Colette ihn vielleicht angesehen hatte.
    Er stützte sich auf die Ellenbogen, streckte die langen Beine aus und schlug sie übereinander. Erst jetzt wandte sie den Blick ab – aber das Bild des windzerzausten Haars haftete fest in ihrem Kopf. Sie wollte das Haar berühren, wollte es zwischen Daumen und Zeigefinger spüren und ihre Hände darin vergraben. Es war ungerecht, ihm so nahe zu sein und doch ihre Sehnsucht nicht ausleben zu dürfen. Seine Ausstrahlung raubte ihr den Atem, und das missfiel ihr. Zu denken, dass ich sein Haar streicheln möchte! Was ist nur mit mir los?
    Pierre bewegte sich im Schlaf und öffnete kurz darauf die Augen. Er setzte sich auf, sah sich etwas benommen um und ließ dann seinen Kopf auf Charmaines Schoß sinken. »Mama.«
    John lächelte. »Er liebt Sie sehr, nicht wahr?«
    »Ein bisschen, aber er vermisst seine Mutter.« Charmaine strich dem Jungen über das Haar.
    »Wirklich?«
    »Sehr sogar. Colette hat ihre Kinder geliebt. Sie waren ihr Leben. Obgleich es ihre Gesundheit im letzten Jahr kaum noch zuließ, hat sie so viel Zeit wie möglich mit ihnen verbracht – und wenn sie nur im selben Raum mit ihnen saß und Pierre auf dem Schoß hielt. Das vermisst er sehr.«
    »Und die Zwillinge?«
    »Ihre Wunden heilen allmählich, aber die Narben bleiben natürlich. Sie können sicher nachfühlen, welchen Schmerz die Mädchen erlitten haben. Ich kenne dieses Gefühl selbst nur zu gut.«
    »Ich hatte nie eine Mutter, die ich verlieren konnte«, bemerkte er kühl. »Also kann ich mich nur schwer in die Kinder hineindenken.«
    »Die Erfahrung ist nicht der einzige Lehrmeister. Mitfühlen ist einfach, aber dem Leid zu begegnen, das ist schon schwieriger. Die Zeit und das tägliche Leben haben den Mädchen über das Schlimmste hinweggeholfen. Inzwischen haben sie akzeptiert, dass ihre Mutter tot ist.«
    »Und wie steht es mit Ihnen, Miss Ryan? Sicher haben Sie den Kindern alle Liebe gegeben, die sie brauchen. Ist das denn nicht genauso wichtig?«
    »Das ist es, aber Colette kann ich nicht ersetzen.«
    »Vielleicht haben Sie es schon getan. Die Kinder lieben Sie, und eines Tages könnten Sie so wichtig für sie werden wie ihre eigene Mutter.«
    »Das bezweifle ich. Die Kinder halten sich an mich, weil sie sonst niemanden haben. Aber ich weiß, wohin sie laufen würden, wenn Colette noch lebte!« Mutig begegnete sie seinem Blick. »Colette war ein feiner, wunderbarer Mensch.«
    Ein verhaltenes Lächeln glitt über sein Gesicht. »Und Sie sind das nicht?«
    »Das habe ich nicht gesagt.« Als sich sein Lächeln vertiefte, machte sie einen Rückzieher. »Ich meine … ich versuche, eine gute Christin zu sein, aber Colette … nun, Colette war perfekt.«
    »Niemand ist perfekt, Charmaine.«
    »Nicht einmal Sie?«
    Seine Augen funkelten. »Ausnahmen gibt es immer.«
    Sie schnalzte mit der Zunge und verdrehte die Augen. Pierre vergrub sein Gesicht in ihren Rockfalten und

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