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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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rief wieder nach seiner Mutter.
    »Macht er das öfter?«
    Charmaine streichelte seinen Rücken. »Nur im Schlaf. Ich denke manchmal, dass er seine Mutter mehr vermisst, als seine Schwestern das tun.«
    »Aber seine Erinnerungen sind doch sicher schon ein wenig verblasst. Er ist so viel jünger.«
    »Das ist richtig, aber Colette hat mit Pierre sehr viel mehr Zeit verbracht.«
    »Und warum das? Was glauben Sie?«
    »Pierre war noch klein und hat gern bei ihr gespielt, die Zwillinge gingen schon oft eigene Wege. Mit ihnen konnte Colette manchmal nicht mehr Schritt halten.«
    Aber John schien die Antwort nicht zu genügen, und so erklärte Charmaine es ihm noch einmal. »Colette hat oft beklagt, wie sehr ihre Krankheit sie einschränkt. Deshalb bestand sie auch darauf, eine Gouvernante zu engagieren. Sie wollte nicht, dass sich ihre Schwäche auf die Kinder auswirkt. Sie wollte sie glücklich sehen. Sie sollten sich frei bewegen können, sollten toben und spielen …«
    »Nur weiter«, sagte John. »Ich höre Ihnen sehr gern zu.«
    »Ich glaube, ich rede viel zu viel.«
    »Aber nein«, wehrte er ab. »Sie reden zum ersten Mal wirklich mit mir. Und das gefällt mir.«
    »Für gewöhnlich verbieten das die Umstände, Sir«, sagte sie vorsichtig, weil sie spürte, dass sie unbekanntes Terrain betrat.
    »Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben. Ich war sicher, dass ich Ihre korrekte Haltung eines Tages überwinden und die echte Charmaine Ryan entdecken würde.«
    »Wirklich?« Es ärgerte sie, dass er ihr Verhalten kritisierte und glaubte, sie besser zu kennen, als sie selbst das tat.
    »Wirklich.« John lächelte. »Aber wir sollten diesen Fortschritt nicht gleich wieder vernichten. Sprechen Sie einfach weiter, Mademoiselle.«
    »Und worüber?«
    »Über Mistress Colette und warum sie ihren Sohn den Zwillingen vorgezogen hat.«
    »Vorgezogen? Das habe ich so nicht gesagt.« Warum verdrehte er ihre Worte? »Sie hat die Zwillinge genauso geliebt wie Pierre.«
    »Aber Sie sagten, dass sie viel mehr Zeit mit ihm verbracht habe. Ist das keine Bevorzugung?«
    »Nicht unbedingt. Ich habe auch gesagt, dass die Mädchen aktiver waren als ihr kleiner Bruder. Vermutlich spürte Colette, dass sie sterben musste, und wollte Pierre so viele gute Erinnerungen wie möglich hinterlassen. Bei den Mädchen war es leichter, da sie schon älter waren, aber was Pierre anging, so wollte sie sichergehen. Selbst kurz vor ihrem Tod, als Colette manchmal gar nicht mehr ganz bei sich war, fand sie noch die Kraft, um vor dem Zubettgehen ins Kinderzimmer zu kommen.«
    »Fragt Pierre auch nach ihr, wenn er wach ist?«
    »Das muss er wahrscheinlich gar nicht, weil er ihre Gegenwart spürt und glücklich ist.«
    Mit ruhigem Blick sah John auf den schlafenden Jungen hinunter, und Charmaine spürte, dass er in Gedanken ganz woanders war.
    Lautes Lachen schreckte sie auf, als die Mädchen um die Wette zur Decke rannten. Yvette erreichte sie als Erste. Außer Atem warf sie John eine hübsch geformte Muschel in den Schoß. »Sieh nur!«
    »Sehr hübsch.« Er nahm das Fundstück näher in Augenschein. »Wie weit musstet ihr gehen?«
    »Oh, nicht sehr weit. Vielleicht ein paar Meilen.«
    »Ein paar Meilen?«, fragte er und erntete nur ein Schulterzucken.
    »Wenn du dir die Öffnung ans Ohr hältst, kannst du die Brandung hören«, warf Charmaine ein.
    »Und warum soll ich das tun, da ich sie doch hier am Strand hören kann?«
    John lachte leise. »Ihr wart so lange fort und habt nur eine einzige Muschel gefunden?«
    Triumphierend grinste Yvette ihre Schwester an. »Habe ich dir nicht gesagt, dass er das fragen würde?« Sie zog einen verbeulten Kelch aus den Falten ihres Rocks hervor. »Das ist unser echter Schatz!« Voll Stolz reichte sie John das Fundstück. »Ist er nicht prächtig?«
    »O ja.« John drehte den unansehnlichen Kelch in der Sonne hin und her, bis es hier und da blitzte. »Wo habt ihr ihn gefunden?«
    »Drüben beim Riff. Er steckte im Sand. Zuerst habe ich nur ein Glitzern gesehen, und dann haben wir gegraben. Glaubst du, dass er wertvoll ist?«
    »Wertvoll? Vielleicht ist es sogar der Heilige Gral!«
    »Keine Blasphemie, bitte«, mahnte Charmaine.
    »Blasphemie? Den Gral zu erwähnen ist doch keine Blasphemie!«
    »Was ist der Gral?«, wollte Jeannette wissen.
    Charmaine erklärte ihnen, dass man den Kelch, den Christus beim Abendmahl benutzt hat, so nennt. Dieser Kelch dagegen war sicher nicht der Gral.
    »Ist er trotzdem wertvoll?«, drängte

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