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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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und kon zentrierte sich, wie sie hoffte, auf die Straße, denn er starrte mit mürrischem Gesicht geradeaus. In der Ferne sah sie gewaltige Blitze, die quer über den Himmel geschleudert wurden, gefolgt vom Donnergrollen, das den Wagen erfüllte. Der Regen war noch stärker geworden; er prasselte auf das Blechdach nieder und überflutete zwischen den Schlägen der Wischer die Scheibe. Sie betete, dass sie nicht aussteigen würden, obwohl sie wusste, dass sie es nicht verhindern konnte. Dann dachte sie, dass es wahrscheinlich keinen Unterschied machte, nass zu werden. Dennoch hatte sie die seltsame Vorstellung, dass sie, wenn es dazu kam, nicht zitternd und durchnässt ein jämmerliches Bild abgeben wollte.
    Jeffers bog erneut ab, und sie befanden sich auf einer noch kleineren, noch verlasseneren Straße.
    Sie schwieg und versuchte, an zu Hause zu denken, an ihre Mutter, ihren Vater, ihre Freunde, an die Sonne und den Sommer, der in der grauen Flut aus Wind und Regen untergegangen war.
    Wieder bog Jeffers ab, und der Weg wurde holprig. Er war ungeteert. Jeffers fluchte. »Wir bleiben stecken, wenn wir da runterfahren. Verflucht, es ist nur noch eine halbe Meile …«
    Er fuhr auf eine grasbewachsene Stelle und hielt an.
    Sie hasste das plötzliche Verstummen des Motorengeräuschs. Die Stille hüllte sie von allen Seiten ein.
    »Douglas Jeffers denkt doch an alles«, sagte er, griff hintersich und nahm eine kleine Reisetasche vom Rücksitz. Er zog den Reißverschluss auf und schob ihr ein gelbes Regencape hin. Dann zog er eine dunkelgrüne, regenfeste Jacke mit passender Hose heraus. »Das Beste aus dem L.-L.-Bean-Katalog«, erklärte er. »Einen großen Teil des Fotografierens macht die Vorwegnahme künftiger Unannehmlichkeiten aus. Ich hoffe, es passt. Setz die Kapuze auf.«
    Er half ihr dabei, das Cape überzuziehen, dann schlüpfte er selbst in den Regenanzug. »Also«, meinte er, »gehen wir.«
    Es donnerte, und ein neuer, heftiger Regenguss prasselte auf den Wagen nieder. Jeffers lächelte und stieg aus. Eine Sekunde später öffnete sich Anne Hamptons Tür. Sie war klug genug, um nicht zu zögern.
    Von der Wucht des Regens schien ihr für einen Moment die Luft wegzubleiben, und sie stand desorientiert und von Wind und Wetter benommen da. Sie merkte, wie Jeffers mit der gewohnten Kraft ihren Arm nahm, und sie ließ sich von ihm mitzerren. Der Weg war sandig und unbefestigt, und sie rutschte in ihren Laufschuhen, während Jeffers sie schob. Für Sekunden wünschte sie sich, wenigstens an einem trockenen, vertrauten Ort zu sterben. Das hier war besonders unfair. Sie konnte nichts sehen. Sie hatte das Gefühl, dass er einen Moment hinter ihr war und den nächsten neben ihr, um gleich danach vor ihr herzulaufen und sie mitzuziehen. Sie versuchte, in Gedanken Ideen und Schlussfolgerungen zu formulieren. Wieso sollte er mir ein Regencape geben, wenn er mich töten will?, dachte sie. Am meisten Angst machte ihr allerdings die unabweisbare Tatsache, dass es ein Fehler war, irgendetwas von dem, das ihr geschah, eine Logik zuzuschreiben.
    Sie schloss die Augen vor den Blitzen und dem Regen und fing an, im Takt ihrer Füße Gebetsfetzen zu murmeln, um inden vergessen geglaubten Rhythmen etwas Trost zu finden. »Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name …« Und dann: »Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern …« Jeffers stieß sie ein wenig fester an, und sie keuchte: »Und ob ich schon wandelte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück …«
    »Komm schon!«, drängte Jeffers. »Es müsste direkt da vorne sein.«
    »Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnaden, gebenedeit ist die Frucht deines Leibes. Gegrüßet seist du, Maria, gebenedeit ist die Frucht deines Leibes. Gegrüßet seist du, Maria …«
    »Nun komm endlich, verdammt! Schneller!«
    »Gegrüßet seist du, Maria, volldergnaden, volldergnaden, volldergnaden, gegrüßet …« Sie kniff im Gehen die Augen zu und versuchte, an irgendetwas anderes als den Regen, den Wind und den Druck von Douglas Jeffers’ Griff an ihrem Arm zu denken. Sie fragte sich, ob er ihr wie bei einer Militärexekution die Augen verbinden und ihr eine Zigarette geben würde. Tränen liefen ihr zusammen mit dem Regen die Wangen hinunter.
    Als sie das nächste Mal auftrat, gab der sandige Boden unter ihren Füßen nach, sie rutschte aus und fiel vornüber. Während sie stürzte, entfuhr ihr ein unfreiwilliges »Autsch« – eher ein

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