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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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wichtig es gewesen war, sich gegenüber Marty nicht anmerken zu lassen, wie groß seine Angst war. Das Haus war ganz anders als die Hotelzimmer und Wohnwagenparks, durch die ihre Mutter sie geschleift hatte. Seine erste Mutter, dachte er. Einen Moment lang glaubte er, die Mischung aus Parfüm und Alkoholdunst zu riechen, die ihnjedes Mal verfolgte, wenn er an sie denken musste. Er beugte sich vor und öffnete das Fenster einen Spalt, um Luft hereinzulassen, weil er fürchtete, dass sich ihm von all dem Hass der Magen umdrehte.
    Die Luft vertrieb den Erinnerungsgeruch, und er dachte an seinen ersten Blick die Treppe hoch zu ihrem Zimmer. Er entsann sich, wie fest Marty seine Hand gepackt hatte. Es war dunkel gewesen, und die wenigen Lampen, die der Drogist eingeschaltet hatte, warfen seltsame Formen an die Wände. Er konnte sich nicht daran erinnern, wie sie die Treppe hochgegangen waren. Dafür wusste er noch, wie sie in einen winzigen Raum halb geführt und halb geschoben wurden. Die Wände waren weiß getüncht, und die Einrichtung bestand aus zwei aufgeklappten Feldbetten. Die einzige Lampe hatte keinen Schirm. Das einzige Fenster war geöffnet und ließ die kalte Luft herein.
    Es war trostlos und steril gewesen.
    Er zwang sich zu einem Lächeln – nicht Ausdruck von Amüsement, sondern von Ironie. Sein erstes Gefecht, dachte er. Marty war so erschöpft gewesen, dass er augenblicklich eingeschlafen war. Aber ich starrte an die Wände. Er sah die Konfrontation am nächsten Morgen vor sich:
    Können wir was an die Wände hängen?
    Nein.
    Wieso nicht?
    Ihr macht sie nur kaputt.
    Nein, wir sind vorsichtig.
    Nein.
    Bitte.
    Hör auf, herumzuquengeln! Ich habe nein gesagt! Schluss jetzt.
    Es ist aber nicht wie ein Zimmer. Es ist wie ein Gefängnis.
    Ich werde dir zeigen, dass du so nicht mit mir reden darfst.
    Er hatte seine ersten Prügel bezogen. Die ersten von vielen. Er fand es merkwürdig, dass ihm keine Emotionen hochkamen, als er daran dachte, wie er die ersten Fausthiebe spürte, die sein neuer Vater auf ihn niederprasseln ließ. Doch Hass stieg in ihm auf, wenn er daran dachte, wie seine neue Mutter seelenruhig daneben saß. Ihre Augen sollen verdammt sein!, dachte er plötzlich. Sie hat nichts unternommen! Einfach nur dagesessen und zugesehen. Sie hat immer nur dagesessen und zugesehen. Sie hat nichts gesagt und nichts getan.
    Er stockte, als müsste er nach Luft schnappen.
    Ihre Augen sollen zur Hölle gehen! Wieder füllte sich sein Kopf mit Erinnerungen, als hielte er eine Tasse unter einen Wasserhahn. Für den Rest des Tages wurde er in eine fremde, neue Schule abgeschoben. Das war an sich schon entsetzlich genug gewesen.
    Am lebhaftesten war ihm allerdings der Kunst unterricht an diesem Morgen haftengeblieben, während dem er sich das größte weiße Blatt Papier geschnappt hatte, das es gab. Dann hatte er schnell und planvoll dicke Streifen in Blau, Orange, Rot, Gelb und Grün darauf gemalt, so dass er in Windeseile einen Regenbogen vor sich hatte. Anschließend hatte er sich noch ein Blatt genommen und ein Dampfschiff gemalt, das auf wilder, grauer See schaukelte. Schließlich ein drittes für einen Piratenkapitän mit roter Schärpe, schwarzem Bart und Totenkopfflagge in den Händen. Er hatte die Bilder trocknen lassen und war am Nachmittag zurückgekehrt, um die Lehrerin zu fragen, ob er sie behalten dürfe. Als sie es erlaubte, nahm er sie und rannte ins Klo. Er schloss sich in eine Kabine ein, ließ die Hose fallen und wickelte sich die Gemälde vorsichtig um Ober- und Unterschenkel.
    Er wusste noch, wie er mit steifen Beinen nach Hause gegangenwar. Wieso hinkst du, fragte seine neue Mutter. Ich bin in der Schule hingefallen, erklärte er. Es ist nichts weiter. Geht schon wieder. Er war die Treppe hoch in sein Zimmer gestakst, wo Marty versuchte, auf dem Boden mit einem leeren Schuhkarton zu spielen. Er sah die Freude in den Augen seines Bruders vor sich, als er die Bilder herausholte und sie mit Reißzwecken, die er in der Schule hatte mitgehen lassen, an die sorgsam getünchten Wände heftete. Wenn er daran dachte, wie Martys ganzes Gesicht vor Begeisterung strahlte, musste er selbst grinsen: Ein Boot, hatte sein Bruder gerufen, das bringt uns zu Mammi zurück!
    Ist eine lange Seefahrt daraus geworden, dachte Jeffers.
    Wir sind immer noch nicht angekommen.
    Er überholte mühelos einen großen Laster, dessen ohrenbetäubender Motorenlärm in die Stille des Wagens dröhnte. Er sah, wie Anne Hampton

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