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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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der Frau war ausgerechnet, dass sie sich nicht benahm wie ein Mann. Eine Frau bei der Kripo. Sie sollte in Stein gemeißelt sein, irgendwo in mittlerem Alter, den Büromuff an den Kleidern, die Hände einer Bäuerin und auf dem menschlichen Auge blind. Detective Barren trägt Seide, dachte er, und ziemlich unpraktische Schuhe, und sie macht mir umso mehr Angst. Es kam nicht jeden Tag vor, dass eine Frau jemanden quer durch die Vereinigten Staaten jagt. Frauen lassen sich nicht von gekränkter Eitelkeit leiten wie ein Mann. Sie sind bodenständiger, pragmatischer.
    Er grinste über seine fadenscheinigen Argumente.
    Erste Lektion an der medizinischen Fakultät: Nie verallgemeinern! Nie charakterisieren.
    Begriffe wie Obsession und Zwang drängten sich ihm auf,doch für einen Moment war er verwirrt. Er führte sich seinen Bruder, die Ermittlerin und sich selbst vor Augen.
    Kein Wunder, dachte er, dass die alten Griechen die Furien erfunden haben, und zwar als Frauen. Eine kühne Mischung aus Mythos und Phantasie schwirrte ihm durch den Kopf. Die Scheuklappen nützen dir nichts, dachte er, du siehst trotzdem.
    Martin Jeffers starrte auf die Uhr an der Wand gegenüber. Er hatte Angst vor der Nacht, er sehnte den Morgen, die vertraute Routine herbei: die morgendliche Dusche, die hastige Tasse Kaffee, die Fahrt zur Heilanstalt, die erste Visite, die Grup pensitzungen, das zaghafte Klopfen seiner Patienten an seiner Sprechzimmertür. Plötzlich wünschte er sich nichts sehn licher als die Rückkehr zur Normalität. So, wie es immer war, so wie es bis zum gestrigen Tag gewesen war. Ihm wurde bewusst, wie kindisch diese Wünsche waren, und musste schmunzeln: Ich wünschte, ich wäre wieder in Kansas, wieder in Kansas, in Kansas … Er schloss die Augen und lachte halbherzig über die Erinnerung an das Kinderbuch, wusste jedoch, dass es ihm nicht half. Es gibt keine magischen Schuhe, dachte er. Keine Absätze, die man dreimal zusammenschlagen muss. Ihm fiel ein, wie sein Bruder seine Arbeit beschrieben hatte: dem Bösen auf den Fersen.
    Er stand auf, öffnete einen Schrank und zog eine Steppdecke heraus. Er wickelte sie sich um die Schultern und setzte sich wieder in den Sessel. Er schaltete das grelle Licht auf dem Couchtisch neben dem Sessel aus und blieb still in der Dunkelheit sitzen. Er wollte wach bleiben und er wollte schlafen. Er konnte sich nicht für eins von beiden entscheiden, denn beides machte ihm Angst.
    Draußen im Wagen sah Detective Barren, wie das Licht ausging. Sie wartete eine Viertelstunde, bis sie sicher war, dass Martin Jeffers seine Wohnung nicht verließ. Dann senkte sie die Lehne bis zum Anschlag hinunter und wickelte sich in eine dünne Decke, die sie aus dem Hotel mitgenommen hatte. Sie überzeugte sich noch einmal davon, dass sie die Türen abgeschlossen und nur das Fenster einen Spaltbreit geöffnet hatte, um die kühle Nachtluft hereinzulassen. Pennington, dachte sie, ist ein Ort, an dem man sich absolut sicher fühlen kann, ein Ort für Familien mit guter Nachbarschaft und Grillpartys im Garten. Sie erinnerte sich daran, wie sie an Wochenenden durch diese Alleen gefahren war, um ein Footballspiel der Highschool zu besuchen. Er weiß es nicht, dachte sie. Er weiß nicht, dass auch ich hier zu Hause bin. Sie lockerte den Gürtel ihrer Jeans und entspannte sich mit einem letzten sehnsüchtigen Blick zum dunklen Fenster, während ihre Finger über den Griff der Neunmillimeter strichen, die sie unter der Decke auf dem Bauch liegen hatte. Ihr schieres Gewicht beruhigte sie auch jetzt. Sie war zuversichtlich. Sie wies den Gedanken zurück, der sie am Abend so lange gequält hatte. Sie war sich bewusst, dass etwas fürchterlich schief lief, wenn sie als Polizistin zur Kriminellen wurde.
    Ist ja nur für kurze Zeit, sagte sie sich. Und notgedrungen.
    Sie verbannte den Gedanken aus ihrem Kopf, dann schloss sie die Augen vor der Nacht.
    Ihre Träume allerdings waren verworren und von Menschen bevölkert, die nichts miteinander zu schaffen hatten: ihr Mann und Sadegh Rhotzbadegh, die Jeffers-Brüder und ihre Vorgesetzten sowie ihr Vater. Als sie kurz vor dem Morgengrauen von den Scheinwerfern eines vorbeifahrenden Autos geweckt wurde, war sie erleichtert. Sie sah den Rücklichtern hinterher, bis sie im angedeuteten Morgengrauen verschwanden. Siekonnte gerade noch die rotblaue Lampe auf dem Wagendach erkennen und fragte sich, wie verschlafen ein Cop wohl sein musste, wenn er jemanden übersah, der in einer

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