Der Fotograf
einschließlich dem an Ihrer Nichte. Außerdem ein Paar Ohrringe und ein, zwei Ringe. Warten Sie, ein Damenschuh und eine Strumpfhose mit einem Blutfleck.«
Er zögerte.
»Bei einem Fall wie diesem ist ein solcher Karton ein absoluter Glückstreffer. Ich weiß zwar nicht, ob genug da drin ist, um ihn mit jedem einzelnen dieser Morde in Verbindung zu bringen, aber es reicht wenigstens für einige von ihnen. Und das heißt, wir haben den Scheißkerl am Haken.«
Sie sah ihn an.
»Hoffentlich.«
»Glauben Sie mir. Da besteht kein Zweifel. Blöderweise müssen wir davon ausgehen, dass der Bursche noch mehr Dreck am Stecken hat, von dem wir nicht mal wissen.«
Er legte den Arm um ihre Schultern, um sie aus dem Zimmer zu führen.
»Keine Sorge. Die Hausdurchsuchung ist legal. Die Beweise sind da. Der Kerl fängt wahrscheinlich in diesem Moment an zu singen. Das Einzige, was uns Sorgen macht, ist dieser seltsame Wisch. Wahrscheinlich hat er eine weiche Birne. Wollen Sie nicht rüberfahren und sich selbst ein Bild machen?«
»Danke, Fred.«
»Ist doch selbstverständlich. Rufen Sie einfach an, jederzeit, wenn Sie was wissen wollen.«
»Weiß ich zu schätzen. Ich fühl mich jetzt schon etwas besser.«
»Gut.«
Auch wenn es nicht der Fall war.
Sie wandte sich an Lieutenant Burns, der draußen auf sie wartete. »Ich will den Kerl sehen – leibhaftig.«
Als sie losfuhren, sah sie sich nicht noch einmal um.
Im Morddezernat des Bezirkspräsidiums wurde sie zusammen mit Lieutenant Burns in einen abgedunkelten Raum mit einem halbdurchlässigen Spiegel als Trennwand zum angrenzenden Zimmer geführt. Sie begrüßte die Handvoll Kollegen, die sich ebenfalls hier versammelt hatten, um die Einvernahme auf der anderen Seite der Trennwand zu verfolgen. In einer Ecke bediente jemand ein Tonbandgerät. Alle schwiegen. Einen Moment lang fühlte sie sich an Hunderte von Kinound Fernsehfilmen erinnert. Jemand bot ihr einen Stuhl an und flüsterte: »Er leugnet immer noch alles, und er scheint stark zu sein. Sie bearbeiten ihn schon seit zwei Stunden. Ich geb ihm noch fünf Minuten oder auch fünf Stunden, schwer zu sagen.«
»Hat er einen Anwalt verlangt?«, wollte sie wissen.
»Nein. Bis jetzt jedenfalls noch nicht.«
Sie dachte an die Zeilen in der Schreibmaschine.
»Ist er nüchtern?«, fragte sie den Kollegen, während ihr Blick zum ersten Mal auf den Verdächtigen fiel.
Der Mann war klein, drahtig und muskulös, gebaut wie ein Federgewichtsboxer, mit gewelltem schwarzen Haar und leuchtend blauen Augen, eine Kombination, die Detective Barren seltsam irritierte. Er trug Jeans und ein orangefarbenes T-Shirt, das an die Nationalmeisterschaft erinnerte, die das Football-Team der University of Miami gewonnen hatte. Ihr erster Eindruck war, dass er sich wand; sie sah, wie sich die Armmuskeln spannten. Sie musste unwillkürlich abschätzen, wie viel Kraft wohl in diesem Arm steckte, und als ihr plötzlich das Bild von einem kurzen, dumpfen Schlag vor Augen trat, zuckte Schmerz wie ein weißer Blitz durch das dunkle Nichts.
»Seltsamer Bursche. Hat eben aus dem Koran zitiert. Hören Sie mal.«
Sie konzentrierte sich auf die drei Männer im Vernehmungszimmer. Detective Moore stellte die Fragen, während Detective Perry still dabeisaß und sich mitunter Notizen machte, die meiste Zeit jedoch den Verdächtigen unverwandt, mit bohrendem Blick beobachtete. Seinen scharfen Augen entging keine einzige Regung; sie verengten sich böse und bedrohlich, wenn sein Gegenüber arrogante, zweideutige oder ausweichende Antworten gab, so als weckte mangelnde Wahrhaftigkeit einen Zorn, der jeden Moment in Gewalt umschlagen konnte. Jedes Mal, wenn der Detective die Stellung wechselte, rutschte auch der Verdächtige unbehaglich auf seinem Stuhl herum. Detective Barren fand die Vorstellung meisterhaft gelungen.
»Ich will wissen, wozu du die Strumpfhose gekauft hast.«
»Sie war ein Geschenk.«
»Für wen?«
»Für jemanden in meiner Heimat.«
»Wo ist das?«
»Im Libanon.«
»Und der Hammer?«
»Damit wollte ich meinen Wagen reparieren.«
»Wo warst du in der Nacht vom 8. September?«
»Zu Hause.«
»Hat dich jemand gesehen?«
»Ich lebe allein.«
»Wieso hast du alle diese Mädchen getötet?«
»Ich habe niemanden getötet.«
»Und wie kommt es dann, dass wir bei dir zu Hause einen Ohrring gefunden haben, der einem Mädchen namens Lisa Williams gehörte? Und was ist mit der blutbefleckten rosa Strumpfhose, wie Andrea Thomas sie
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