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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Er hatte die Stimme erhoben wie noch nie in den vier Wänden des Tagesraums.
    »Verdammt, was weiß ich …«
    »O doch, Sie wissen es ganz genau!« Jeffers beäugte die Männer. »Sie alle. Denken Sie zurück! Das erste Mal. Was ging Ihnen damals durch den Kopf? Was war der entscheidende Auslöser?«
    Er wartete.
    Schließlich brach Pope das Schweigen. Jeffers betrachtete den älteren Mann, der seinen Blick mit unverhohlenem Hass gegen jedermann richtete, der es wagte, in seinen Erinnerungen herumzustochern. »Es bot sich die Gelegenheit«, meinte er.
    »Erklären Sie mir das?«, forderte Jeffers ihn auf.
    »Wir haben alle gewusst, wer wir sind. Mag sein, dass wir es uns noch nicht ganz eingestanden hatten, mag sein, dass wir noch keine Worte dafür fanden, aber trotzdem haben wir es gewusst. Also ging es darum, zu warten, bis sich die richtige Gelegenheit bot. Das Bedürfnis war da. Es fehlten nur noch die richtigen – wie soll ich es nennen – Umstände …«
    Er sah, wie mehrere Köpfe nickten.
    »Manchmal«, meldete sich Knight, »wenn man erst mal beschlossen hat, zu sein, was man ist, dann verselbständigt es sich irgendwie. Dann schaut man sich eben um. Da passiert nicht irgendwas, so dass man sich mit einem Schlag ändert, es ist längst alles da. Man sucht. Und wenn man findet, wonach man sucht …«
    »Ich hab es t-t-t-trotzdem gehasst«, stieß Wasserman hervor.
    »Ich auch«, stimmte Weingarten ein. »Aber das hat nichts zu sagen.«
    »Stimmt.« Das war wieder Pope. »Es hat nichts zu sagen.«
    Parker: »Wenn es erst mal losgeht, dann ist es nicht mehr aufzuhalten, Mann.«
    Meriwether: »Ob man es nun hasst oder sich selbst dafür hasst oder denjenigen hasst, mit dem man es macht, ist letztlich bedeutungslos.«
    Martin Jeffers ließ die Worte der Männer auf sich wirken.
    »Aber das allererste Mal …«, beharrte er, doch sofort fiel ihm Pope ins Wort.
    »Sie verstehen das nicht! Das erste Mal passiert es lediglich zum ersten Mal physisch! Im Kopf, Mann, da haben Sie es schon hundertmal getan! Eine Million Mal!«
    »Mit wem?«, wollte Jeffers wissen.
    »Mit jedem!«
    Jeffers überlegte angestrengt.
    Er sah, wie die Männer auf der Stuhlkante saßen und sich, gespannt auf seine nächsten Fragen, nach vorne beugten. Sie waren wach, interessiert, aufgeregt und so sehr bei der Sache, wie er sie noch nie erlebt hatte. Er sah den raubtierhaft lauernden Ausdruck in ihren Augen und dachte an all die Menschen, die denselben unbarmherzigen Blick hatten ertragen müssen, bevor sie erstickt, erwürgt oder auch geschlagen und dann geschändet wurden.
    »Aber es muss irgendwas gegeben haben«, wiederholte er bedächtig. »Einen besonderen Moment oder ein entscheidendes Wort, das Ihnen erlaubt hat, auszuleben, was Sie waren …«
    Er starrte die Männer eindringlich an.
    »Etwas, das Ihnen sagte, Sie dürften es tun. Was?«
    Wieder Schweigen. Die Männer dachten über die Frage nach.
    Wasserman stotterte: »Ich e-e-erinnere mich, wie meine M-M-M-Mom mir gesagt hat, ich würde n-n-n-nie ein M-M-M-Mann s-s-s-sein wie m-mein Daddy. D-D-Das hab ich n-nnie vergessen, und als ich es d-d-das erste Mal getan hab, k-k-k-konnte ich an n-n-nichts anderes denken.« Er sah sich in der Runde um, und für einen Moment ver schwand das Stottern. »Bin ich wohl, verdammt!«
    »Also, bei mir war es anders«, überlegte Senderling. »Ich war es einfach leid, zu warten, wissen Sie. Ich meine, da war diese Kleine im Büro, die war echt heiß, und ich glaube, die hat nichts anbrennen lassen, also wollte ich auch auf meine Kosten kommen.«
    Bryan schnaubte. »Du meinst, sie hat sich geweigert, mit dir auszugehen.«
    »Nein, nein, so war das nicht.«
    Die Männer johlten.
    Bryan legte noch eins drauf: »Sie hat dich in die Wüste geschickt, also hast du ihr in der Garage ihres Wohnhauses aufgelauert. Hast du mir selbst erzählt.«
    »Sie war eine Schlampe«, rechtfertigte sich Senderling. »Sie hat es verdient.«
    »Nur weil sie nein gesagt hat?«, fragte Jeffers.
    »Genau!«
    »Aber was hat Sie dazu gebracht, es diesmal zu tun? Bestimmt haben auch vorher schon mal Frauen nein zu Ihnen gesagt«, hakte Jeffers nach.
    »Weil, weil, weil … na ja …«
    Er zögerte.
    »Weil ich allein war. Meine Schwester und mein Schwager, dieser Mistkerl, waren endlich ausgezogen, und ich musste seinen faulen Arsch nicht mehr mit durchfüttern und ihren, weil sie nämlich den ganzen Tag nix anderes im Sinn hatten,als rumzulungern und zu rammeln wie die

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