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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Princeton; das schillernde Asbury Park und das ländliche Flemington. Es war ein Bundesstaat, der sich in einigen Regionen in einer außergewöhnlichen Schönheit zeigte und in anderen Gegenden in ebensolcher Hässlichkeit. Sie ließ den Blick schweifen, bis er auf der Allee zwischen den sanften Hügeln ruhte. Das hier, dachte sie, ist der schöne Teil.
    Sie bog vom Highway Richtung Pennington ab. Vor ihren Augen spielte sich die abendliche Vorstadtroutine ab: Väter, die in Anzug und Krawatte nach Hause kamen, Kinder, die auf den Bürgersteigen und in den Gärten spielten, Mütter, die Essen kochten. Es machte sie irgendwie gereizt. Es schien zu normal, eine zu heile Welt. Detective Barren entdeckte zwei junge Mädchen, die an einer Straßenecke in typischer Teenager-Konspiration die Köpfe zusammensteckten und miteinander kicherten. Aber ihr seid nicht in Sicherheit!, musste sie plötzlich denken. Es krampfte ihr das Herz zusammen. Sie hatte das übermächtige Bedürfnis, anzuhalten und diesen ganzen glücklichen Menschen zuzurufen: Ihr wisst es nicht! Ihr versteht einfach nicht! Keiner von euch ist sicher!
    Sie atmete langsam aus und bog in Martin Jeffers’ Straße ein. Sie hielt auf der anderen Straßenseite und sah sich kaum um. Sie wollte sich dieses unbeschwerte Glück nicht länger antun. Schluss mit Norman Rockwell, sagte sie sich. Zurück zu Salvador Dalí.
    Sie stieg aus und hielt jäh inne.
    Sie bekam eine Gänsehaut.
    Hier stimmt etwas nicht, dachte sie. Hier ist etwas durch und durch faul. Ihr drehte sich der Kopf.
    Er ist hier!
    Sie sah sich gehetzt um, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Sie machte sich klar, dass sie sich ausgesprochenparanoid benahm, doch sie suchte trotzdem die zur Straße gelegenen Fenster ab und spähte nach einem Augenpaar, das seinen Blick in sie bohrte.
    Sie sah keins.
    Sie ging sehr langsam und wechselte dabei ihre Tasche nach rechts. So unauffällig wie möglich fasste sie mit der Hand unter die braune Lederklappe. Die Neunmillimeter füllte fast die ganze Tasche aus. Sie packte den Griff.
    Sie bekam Panik. Ist sie geladen?
    Sie konnte sich nicht erinnern. Sie entsicherte die Waffe. Geh vorsichtshalber davon aus, dass keine Patrone in der Kammer steckt. Spann für alle Fälle den Hahn. Du bist verrückt, hier ist alles in bester Ordnung – aber schieb vorsichtshalber trotzdem eine Ladung ein. Sie hielt weiterhin den Kolben fest, lud durch und machte die Waffe schussbereit. Sie spürte, wie sich die Härchen auf ihren Armen aufstellten; sie fühlte sich wie ein Hund, dem sich angesichts eines ungewöhnlichen Geruchs das Fell sträubt, ohne dass er begreift, worin die Gefahr eigentlich besteht – er verlässt sich einfach auf seinen jahrhundertealten Instinkt.
    Sie blickte zu Martin Jeffers’ Wohnung hinüber. Sie merkte, wie ihr der Mund trocken wurde.
    Wo ist sein Wagen?, schrie es in ihrem Kopf.
    Sie machte einen Schritt zur Seite, dann noch einen und spähte in die Einfahrt. Kein Auto. Sie kehrte auf die Straße zurück, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen.
    Kein Auto.
    Wahrscheinlich ist er gerade zum Feinkostladen unterwegs. Weiter nichts.
    Doch jede Faser ihres Seins schleuderte ihr entgegen: Du machst dir etwas vor. Sie vergewisserte sich, dass sie die Pistole bei Bedarf mühelos aus der Tasche ziehen konnte.
    Sie ging zur Haustür und trat ein.
    Was sie sah, ließ ihr das Herz in die Magengrube sinken.
    Martin Jeffers’ Post lag vor seiner Wohnungstür auf dem Boden.
    Nein, dachte sie. Nein!
    Sie trat an die Tür und zog die Pistole. Mit der freien Hand klopfte sie an den Rahmen.
    Es kam keine Antwort.
    Sie wartete und klopfte erneut.
    Auch diesmal nichts.
    Als sie zur Tür hinauskam und um das Haus herumging, gab sie sich keine Mühe, die Waffe zu verbergen. Sie starrte in die Fenster und blieb an demjenigen stehen, durch das sie – vor einer Ewigkeit, wie ihr schien – eingebrochen war.
    Nirgends bewegte sich etwas in der dunklen Wohnung.
    Wieder lief sie zum Vordereingang hinein und klopfte an.
    Wie zuvor schlug ihr Stille entgegen.
    Sie trat zurück und starrte auf die verschlossene Wohnungstür. Es erschien ihr symbolisch: Ich bin ausgeschlossen. Ich hätte es wissen müssen, ich habe gewusst, dass er mich ausschließen wird, ich habe es nur nicht wahrhaben wollen. Sie sind Brüder. Dann sackte sie auf der Treppe zum nächsten Stockwerk zusammen.
    Er ist verschwunden, sagte sie sich nüchtern.
    Er weiß es, und er ist

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