Der Fotograf
zuvorzukommen. »Unabhängig davon, wie es ausgeht.«
Sie lachte freudlos.
»Ich habe wirklich noch nicht drüber nachgedacht«, gab sie zu und schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich geh ich wieder zum Dienst wie früher. Mir macht meine Arbeit Spaß. Ich mag meine Kollegen. Kein Grund, daran etwas zu ändern.«
Das war zweifellos eine Lüge. Sie glaubte nicht, dass irgendetwas hinterher so sein würde wie vorher.
Er nickte.
»Bei mir dasselbe.«
Wir lügen gut zusammen, dachte sie sarkastisch.
»Die meisten von uns«, fügte sie hinzu, »haben nicht allzu viele Optionen im Leben, oder?«
»Nein«, bestätigte er traurig, »das stimmt vermutlich.«
Doch im gleichen Moment kam beiden derselbe Gedanke: Beide wussten sie von einem Mann, dessen Leben voller Optionen war.
Detective Mercedes Barren betrachtete Martin Jeffers und versuchte einen Augenblick lang, sich in seine Lage zu versetzen, doch als sie die ersten einfühlsamen Ahnungen überkamen, panzerte sie sich. Konzentriere dich!, brüllte sie sich an. Vergiss nicht! Sie sah die Falten um die Augen des Arztes, den aschfahlen Ton seiner Haut und war sicher, dass er sich quälte. Was mir passiert ist, das ist passiert, sagte sie sich. Was mir noch bleibt, ist Gerechtigkeit, und das ist keine Gefühlsduselei, sondern eine Notwendigkeit. Er lebt immer noch seinen Kummer aus.
Sie wollte etwas sagen, doch ihr fiel nichts ein, das angemessen gewesen wäre.
Martin Jeffers war sich bewusst, dass zwischen ihnen Stille eingetreten war und dass nicht mehr dieselbe Anspannung herrschte wie zuvor. Er nahm den kostbaren Augenblick wahr und wusste, dass er nicht von Dauer sein konnte. Er lehnte sich zurück und räkelte sich. Doch so entspannt er äußerlich wirken mochte, so unbeugsam war er innerlich.
Lass die Falle zuschnappen!
»Hören Sie«, sagte er bedächtig. »Sie haben absolut recht. Wir müssen am Ball bleiben, bis wir rausgefunden haben, wo er hin ist. Möglicherweise steht das Leben eines Menschen auf dem Spiel – wir wissen es nicht. Ziehen wir die Sache durch, okay?«
Detective Barren nickte.
»Ich habe mir Folgendes gedacht«, fuhr er fort. Er sah auf die Wanduhr. »Es ist später Nachmittag. Ich setze Sie für eine Stunde oder so an Ihrem Hotel ab. Geben Sie mir nur genug Zeit, um zu duschen und ein bisschen aufzutanken. Dannkommen Sie zu mir nach Hause. Wir trinken etwas, ich krame alles an alten Bildern und Briefen hervor, was ich habe, und wir versuchen, dazu frei zu assoziieren. Wir können auch eine Art Chronologie erstellen. Sie müssen sich meine Lebensgeschichte anhören, aber vielleicht kommt ja was dabei heraus, wenn wir gemeinsam überlegen. Außerdem ist es weitaus wahrscheinlicher, dass er bei mir zu Hause anruft als hier.«
Detective Barren dachte über den Vorschlag nach. Der Gedanke, sich heißes Wasser den Körper herunterlaufen zu lassen, war verführerisch. Einen Moment lang schrie eine Stimme in ihr: Pass auf, und sie zwang sich, Martin Jeffers genau zu beobachten. Ihr fiel auf, dass er leicht auf seinem Stuhl wippte. Sie suchte nach Zeichen von Angst, nach nervösen Zuckungen, nach irgendetwas anderem als der Entmutigung und Erschöpfung, die sich so hartnäckig bei ihr selbst breitmachten. Sie konnte nichts entdecken.
Er hat schon hundert Gelegenheiten gehabt, davonzulaufen, dachte sie. Er wird es nicht tun. Nicht, bis er von seinem Bruder hört.
»Fangen wir mit einem klareren Kopf an«, schlug er unverfänglich vor. »Sehen wir einfach, was sich ergibt.«
»In Ordnung«, stimmte sie zu. »Ich bin, sagen wir, um halb sieben bei Ihnen.«
»Sechs ginge auch«, erwiderte er. »Und wir machen so lange weiter, bis wir zumindest eine relativ klare Vorstellung davon haben, wo wir suchen müssen. Und dann fahren wir los. Die Anstalt kann mich eine Weile entbehren.«
»Gut«, sagte sie. Bei dem Gedanken, dass sie handeln, statt nur warten würden, war sie so erleichtert, dass sich ihr Körper entspannte. Die Vorstellung, sich endlich wieder Douglas Jeffers an die Fersen zu heften, durchlief sie heiß. Es tröstete sie und machte sie blind für die Tatsache, dass der Bruder desMörders plötzlich die Augen abwendete und ihren Blick mied.
Martin Jeffers fuhr vor Detective Barrens Hotel in Trenton rechts heran. Er nahm den Gang heraus und drehte sich zu ihr um.
»Also, was für Sandwichs mögen Sie? Ich komm auf dem Heim weg an einem Feinkostladen vorbei, dann können wir nachher was essen.«
Sie öffnete die Wagentür und
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