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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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von uns«, meinte der Mann.
    Sie hatte genickt und nichts gesagt. Das war etwas, das sie bereits gewusst hatte, ohne dass es ihr jemand sagen musste.
    »Ich wollte nur, dass Sie das erfahren«, erklärte der Mann. Er stand auf.
    »Danke«, sagte sie, mehr seinet- als ihretwegen. »Es hilft.« Sie hatte bewusst gelogen.
    »Das hatte ich gehofft«, erwiderte der Mann.
    Er zögerte.
    »Ich war der Sp-p-p-äher.«
    Sie nickte. »Dachte ich mir.«
    Sie hatten sich schweigend angesehen.
    Schließlich hatte sie gefragt: »Und was haben Sie jetzt vor?«
    Er lächelte. »Erst einmal zurück ins Lazarett. Mir weiter an den alten Eingeweiden herumschneiden lassen. Das ist das Problem, wenn man verwundet wird. Die Kugeln reißen verdammt viel kaputt. Die Militärärzte sind große Klasse im Improvisieren. Sie sind wie der Kerl, den jeder von der Highschool kennt, der Kerl, der an jedem Motor herumbasteln konnte – hier ein bisschen rumfummeln, dort ein bisschen adjustieren, bis das Ding wieder anständig läuft. Genau das machen sie mit mir. Sie haben einen Darm vor sich, der nach Norden zeigt, während der übrige Verdauungstrakt Richtung Süden weist, aber sie brauchen nicht lange, und schon stimmt die Landkarte wieder.«
    »Und danach?«
    Er hatte die Achseln gezuckt.
    Immer wieder sah Detective Barren, wie der junge Mann angesichts der Wirklichkeit die Schultern hängen ließ. Immer wenn sie an den Krieg dachte, kam ihr dieser junge Verwundete in den Sinn, der auf die Frage nach seiner Zukunft nur die Achseln zuckte.
    Sie fragte sich zuweilen, ob es bei John ähnlich gewesen wäre. Er hatte keine Enttäuschungen, Zurückweisung oder Pech kennengelernt. Er war nie gefeuert oder abgelehnt worden, hatte sich nie anhören müssen, er solle sich zum Teufel scheren. Er kannte keinen Verlust.
    Anders als sie.
    Detective Barren warf Block und Aktentasche auf den kleinen Schreibtisch, streifte die Schuhe ab und ging in die Küche. Sie holte etwas grünen Salat, Käse und Obst aus dem Kühlschrank. Kaninchenfutter, dachte sie. Sie machte sich einen Teller zurecht und stellte ihn auf den Tisch, dann ging sie ins Schlafzimmer und schlüpfte aus dem Rock. Sie wusch sich Gesicht und Hände und tappte barfuß und halbnackt wieder hinüber. Während sie aß, versuchte sie, nicht an Rhotzbadegh zu denken und die Verzweiflung im Zaum zu halten. Ihre Mahlzeit schmeckte nach nichts.
    Er hätte direkt sein können, dachte sie wütend.
    Träume! Verdammt! Er sieht sie im Traum, aber sie quält ihn nicht! Was zum Teufel soll das heißen? Dass er sie nicht umgebracht hat? Wahrscheinlich. Wahrscheinlich.
    Sie lächelte traurig und stellte sich vor, wie sie zu Detective Perry ging und verkündete: »Tolle Neuigkeiten! Der Mistkerl träumt! Damit wäre eindeutig bewiesen, dass er Susan nicht umgebracht hat.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Was für ein hoffnungsloses Schlamassel.
    Sie aß den Salat auf und schob den Teller weg. Na schön, sagte sie sich. Genug. Genug! Hör auf, deine Zeit mit dem Araber zu verplempern!
    Sieh zu, dass du einen klaren Kopf bekommst, und fang von vorne an.
    Sie stand auf und trug ihr Geschirr zur Spüle. Sie wusch esgründlich ab und biss die Zähne zusammen, als sie in das brühend heiße Wasser griff. Sie räumte kurz auf und ging ins Wohnzimmer. Zum hunderttausendsten Mal starrte sie die Papierstapel auf ihrem Schreibtisch an. Vielleicht auch zum Millionsten oder Trillionsten Mal. Die Lösung steckt irgendwo da drin, dachte sie. Irgendetwas muss da sein.
    »Morgen früh«, befahl sie sich laut, »gehst du zum Morddezernat und suchst nach vergleichbaren Fällen. Dann überprüfst du das Vorstrafenregister bekannter Sexualverbrecher. Dann gehst du noch mal zur Uni und findest heraus, ob Susan irgendwelche Feinde hatte. Gib den Modus operandi beim
National Crime Information Center
ein. Vielleicht auch beim FBI. Überprüfe, ob es nach der Festnahme des Arabers ähnliche Delikte gegeben hat …
    An diesem Punkt hielt sie inne. Sie sah aus dem Fenster.
    »Irgendwo da draußen«, sagte sie.
    Sie lächelte. Du hast dir doch wohl nicht eingebildet, dass es leicht wird. Du hast doch wohl nicht wirklich gehofft, du könntest beweisen, dass es nicht der Araber war, und dafür sorgen, dass die Ermittlungen offiziell wieder aufgenommen werden. Du bist nach wie vor ganz auf dich gestellt, und das ist gar nicht mal so schlecht.
    Nein, ganz und gar nicht.
    Sie betrachtete das Bild von Susan im Regal. Keine Sorge, dachte sie, ich schaff

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