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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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besten.«
    Detective Barren nahm das Bild und hielt es Rhotzbadegh direkt vor die Augen. Mit erhobener Stimme in forderndem, angsteinflößendem Ton legte sie alles Gewicht in eine einzige Frage hinein: »Haben Sie diese junge Frau getötet?«
    Es herrschte Schweigen.
    »Haben Sie sie vom Parkplatz vor dem Studententreff der University of Miami entführt?«
    Wieder Schweigen.
    »Haben Sie sie auf den Kopf geschlagen, sie in den Matheson-Hammock-Park geschafft und dort sterben lassen?«
    Er erwiderte nichts.
    Detective Barren ließ das Foto sinken und starrte Rhotzbadegh an. Sie merkte, wie der Hass sich allmählich verflüchtigte und ein leeres Gefühl hinterließ. Seine Augen waren erneut feucht geworden, während er sich vor ihren zornigen Fragen geduckt hatte.
    Sie empfand kein Mitleid, nichts, nur das Bedürfnis, dieses Vakuum zu füllen.
    »Sagen Sie es mir!«, flüsterte sie.
    Für einen Moment legte er wieder das Gesicht in die Hände, dann sah er sie an. »Ich kann es nicht sagen!«, schluchzte er. »Ich kann es nicht sagen!«
    Er holte tief Luft und wand sich auf seinem Stuhl, als bezöge er Prügel.
    »Irgendwie erinnere ich mich schon. Es klingt so, als könnte ich es gewesen sein. Ich erinnere mich an den Studententreff, mit all dem Dreck, dem Tanz, Alkohol und Gelächter. EinOrt der Sünde. Eines Tages wird Gott ihn mit einem großen Feuer reinigen. Das weiß ich …«
    »Das Mädchen!«, unterbrach ihn Detective Barren.
    »Ich war da. Mitten zwischen diesen Leibern. So viel weiß ich. Aber das andere …«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wozu haben Sie den Artikel aus der Zeitung ausgeschnitten?«
    »Ich musste es dokumentieren! Wie sollte Gott sonst wissen, dass ich seine Wünsche erfüllt habe? Das war der Beweis!«
    »Wieso brauchten Sie einen Beweis für diesen speziellen Mord?«
    »Das ist es ja, was mich verwirrt«, wimmerte er. »Ich hatte meine – meine – meine Beweise von den anderen. Aber an diese Frau kann ich mich nicht erinnern.«
    »Was sagt sie, wenn sie im Traum erscheint?«
    »Sie sagt nichts. Sie steht abseits und sieht zu. Ich hasse sie nicht ganz so wie die anderen.«
    Er schwieg.
    »Ich muss schlafen. Gott gebe mir Schlaf. Können Sie mir helfen, Detective, dass ich wieder schlafen kann? Ich bin so müde, aber trotzdem kann ich nicht schlafen. Ich darf nicht. Sie kommen und quälen mich in meinen Träumen. Sobald ich die Augen schließe, schmieden meine Feinde ihr Komplott gegen mich. Ich werde dereinst nicht auferstehen.«
    Er weinte leise weiter.
    »Das macht Ihnen Angst?«, fragte Detective Barren.
    Er wurde plötzlich unruhig, schoss vom Stuhl hoch und stand mit stolzgeschwellter Brust und angespannten Muskeln kerzengerade vor ihr.
    Er klang nicht länger kläglich, sondern brüllte ihr ins Gesicht:
    »Angst? Nichts macht Sadegh Rhotzbadegh Angst. Ich fürchte mich vor nichts!«
    Er starrte Detective Barren an.
    Nachdem sie beide eine Weile geschwiegen hatten, antwortete sie bedächtig: »Sollten Sie aber«, und stand auf.
     
    Es war schon spät, als Detective Barren endlich ihre Wohnung erreichte. Sie war in verhaltenem, gleichmäßigem Tempo vom Bewertungszentrum zurückgefahren und hatte bereitwillig andere Autos vorbeirauschen lassen, während sie sich stur ans Tempolimit hielt. Sie hatte das unbehagliche Gefühl, als gähnte in ihr ein Loch, als hätten sich die Organe in ihrem Körper irgendwie leicht verschoben. Bei dem Gedanken, wie der Gerichtsmediziner darauf reagieren würde, musste sie schmunzeln. Sie hörte, wie seine hohe Stimme in einen Sopran wechselte, während er ihren Bauch aufschnitt: »Was haben wir denn da, ihr Blinddarm hat sich verschoben! Ihre Milz ist gewandert! Ihr Magen hat sich selbständig gemacht! Ihr Herz hat das Weite gesucht!« Detective Barren lachte laut.
    So weit hergeholt ist das eigentlich nicht, dachte sie.
    Sie erinnerte sich an einen Besuch zwei Jahre nach John Barrens Tod, ein schmächtiger Mann, der ein wenig stotterte. Er hatte Johns Einheit angehört und ihr gegenüber in einem Restaurant gesessen, um ihr von ihrem Mann zu erzählen. Er sei sehr tapfer gewesen, berichtete der Mann. Einmal hatte er sich von den anderen, die ihn festhalten wollten, losgerissen, um den Späher zurückzubringen. So machten sie es immer, der Vietkong, sagte der Mann. Erst mal den Späher erschießen. Als Nächstes den Sanitäter, weil der immer springt. Dann die Männer abknallen, die dem Sanitäter etwas schuldig sind, also alle.
    »John war der Beste

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