Der Fotograf
Buch führen, wer die Spiele fotografiert und filmt. Teils aus Sicherheitsgründen. Vor allem aber wollen sie die Kontrolle über die Fotografen haben, über die Publicity genauer gesagt. Manchmal habe ich das Gefühl, ich arbeite für Big Brother.« Er zog ein getipptes Blatt heraus. »Zu dem Spiel gab es eine Menge Presse«, berichtete er. »Jeder wollte den Kraftprotz vor die Linse kriegen, der heute den Vertrag bekommen hat. Er war ein Neuling, und keiner hatte ein Kunstwerk.«
»Kunstwerk?«
»So nennen sie das. Gott weiß, warum. Ein gutes Bild ist ein Kunstwerk. Rembrandt würde sich im Grab umdrehen, wenn er das von einem dieser Banausen hörte.«
Er sah auf die Liste. »Drei«, sagte er. »Drei von denen haben ihre Pässe verloren. Ach, Moment, Entschuldigung. Zwei Kerle und ein Mädel. Frau, meine ich. Die Kleine von der hiesigen AP, ein Kerl von der
Miami News
, und einer, der für
Sports Illustrated
fotografiert hat. Er ist bei der Agentur Black Star unter Vertrag. Normalerweise schickt
Sports Illustrated
ihre eigenen Jungs, aber vermutlich waren sie diesmal zu dünn besetzt. Baseball, College Football, die Profis – Sie wissen schon.« Er schob das Blatt über den Tisch. »Genügt Ihnen eine Kopie?«, fragte er. »Ich muss das Original behalten.«
Sie nickte. Ihr drehte sich alles im Kopf, doch sie stellte ihre nächste Frage: »Und haben die irgendwelche Gründe angegeben, weshalb sie einen neuen Ausweis brauchten?«
»Sicher«, meinte Stark. »Die NFL achtet streng darauf, werdie Dinger bekommt. Die sind nicht scharf darauf, dass sich Krethi und Plethi an den Seitenlinien tummeln.« Er betrachtete ein anderes Blatt. »Mal sehn, aha, da haben wir’s schon. Das Mädel von der AP hatte ihren in ihrer Reisetasche. Sie ist mit Eastern geflogen, und die haben die Tasche verloren. Das hat sie sich bestimmt nicht ausgedacht. Der Kerl von der
News
hat gesagt, sein zehn Monate altes Baby hätte seinen aufgegessen, und der Kerl von Black Star, warten Sie, hat seinen bei einer Prügelei verloren …«
Stark lehnte sich zurück. »Wissen Sie, ich glaube, ich erinnere mich, wie er an dem Morgen reinkam, um sich den neuen zu holen. Er hatte einen üblen Striemen über dem Auge. Alle haben ihn damit aufgezogen. Er trug’s mit Fassung.«
Detective Barren merkte, wie ihr Magen in die Kniekehlen sackte. Ich wusste es, dachte sie. Ich wusste, dass sie mit aller Macht kämpfen würde. So leicht würde Susan es keinem machen, ihr das Leben zu nehmen.
Sie nahm die Liste vom Schreibtisch und ging die Namen durch.
Sie fasste sich und machte sich klar, dass sie erst sicher sein konnte, wenn sie bei der Druckerei gewesen war. Dann würde sie bei der Forensik noch einen Abgleich machen lassen, um jeden Zweifel auszuschließen. Das Ganze konnte dauern. Sachte, nichts überstürzen. Du musst jede Unsicherheit ausschließen. Allerdings zweifelte sie an ihrer Fähigkeit, sich an den eigenen Rat zu halten. Noch einmal starrte sie auf die Namensliste, doch die Buchstaben schienen sie zum Narren zu halten und tanzten auf dem Papier. Da ist er, dachte sie. Da ist er.
Der Kubaner, der in der Druckerei Biscayne hinter der Theke hervorkam, um ihr zu helfen, war ein umgänglicher und respektvollerälterer Herr. Sie zog ihre Dienstmarke und stürzte den Mann ganz offensichtlich in einige Verwirrung angesichts einer weiblichen Polizistin. Dennoch nahm er das gelbe Schildchen vorsichtig aus der Plastikhülle, um es mehrfach umzudrehen und zwischen den Fingern zu reiben.
»Das«, sagte er mit leichtem Akzent, »sieht zumindest sehr nach den Pässen aus, die wir für die Dolphins drucken. Dieses Jahr allerdings in einer anderen Farbe.«
»Könnte es sein …«, fing sie an, doch er unterbrach sie mit einer Handbewegung.
»Letztes Jahr«, bestätigte er. »Wenn ich das hier mitnehmen darf, kann ich Ihnen vielleicht zeigen, welches Papier wir dazu eingekauft hatten, und Sie bekommen einen perfekten Abgleich?«
Die Bemerkung war als Frage formuliert. Detective Barren wusste, dass sie die nötige Untersuchung ohne weiteres beim Fo rensischen Institut der Bezirkspolizei in Auftrag geben konnte.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Ich wollte nur …«
Er hielt die Hand hoch. »Was immer die schöne Polizistin wünscht.«
Er lächelte mit der harmlosen Laszivität eines alten Mannes.
Sie nahm die Papierprobe wieder an sich und überlegte, wann der nächste Flieger nach New York ging.
Das Dröhnen der Düsenmotoren
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