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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Barren.
    »Für wen arbeiten Sie noch mal?«, fragte er.
    »Für den
Herald
. Ich hab nur ein, zwei Tage in der Stadt zu tun …«
    »Na ja«, meinte der Redakteur, »ich weiß nur, dass er Ferien macht und bei uns nicht hinterlassen hat, wohin er wollte. Er ist drei Wochen weg, falls Ihnen das weiterhilft. Ich kann gerne eine Nachricht …«
    Sie dachte an die Wartezeit. Unmöglich.
    »Oder vielleicht wollen Sie es bei seinem Bruder versuchen?«
    »Doug hat nie einen Bruder erwähnt.«
    »Er ist Arzt in einer staatlichen Heilanstalt in New Jersey. In Trenton. Doug gibt ihn immer als nächsten Angehörigen an, wenn er in ein Kriegsgebiet muss. Vielleicht wenden Sie sich mal an den. Täte mir wirklich leid für ihn, wenn er eine gute Party verpassen würde …«
    »Wissen Sie was«, meinte Detective Barren, »ich versuche mein Glück bei dem Bruder, und falls das nicht klappt, hinterlasse ich bei Ihnen eine Nachricht, okay?«
    »Gerne.«
    »Junge«, sagte sie in mädchenhaftem Ton, »Sie haben mir echt geholfen. Wissen Sie was? Wenn alles klappt, hätten Sie da vielleicht Lust, auf einen Drink vorbeizukommen?«
    »Sicher, gerne.«
    »Ich ruf Sie an«, erwiderte sie mit einem Lächeln. »Ich erreiche Sie sicherlich hier, oder?«
    Er lächelte hoffnungsvoll. »Jederzeit.«
    Doch sie war längst mit den neuen Erkenntnissen beschäftigt, und es drängte sie mit Macht nach New Jersey.

6. KAPITEL
Leichte Beute
     
11.
    Douglas Jeffers blickte geradeaus auf den endlosen, tuscheschwarzen Highway, der unter seinen Rädern dahinflog, und summte wahllos irgendwelche Melodien. Hinter ihm zog am Horizont der Morgen herauf. Langsam drang das erste Licht in den Wagen und kroch in alle Ecken. Jeffers blickte zu der schlafenden Gestalt neben ihm. Anne Hamptons Mund war leicht geöffnet, ihr Atem regelmäßig. Das Morgenlicht ruhte auf ihren Zügen und schärfte ihre Konturen. Er versuchte, ihre dunklen Augenbrauen zu studieren, dann die lange Adlernase, die hohen Wangenknochen und die vollen Lippen, indem er den Blick immer wieder für einen kurzen Moment von der Straße abwandte. Er beobachtete, wie sich das klare frühe Licht in ihrem flachsblonden Haar fing und es sekundenlang aufglühen ließ. Er fragte sich wieder, ob sie schön war oder nicht. Für seinen Geschmack war sie es auf eine schlichte, schnörkellose Weise.
    Er wäre gerne über die Stelle, an der das Licht die Konturen ihres Kinns betonte, mit dem Finger entlanggestrichen und hätte sie mit einer kleinen zärtlichen Geste geweckt. Er sah, dass sie dort einen kleinen Bluterguss hatte, was ihn einenMoment lang traurig machte. Er hatte riesiges Glück gehabt, dass er sie nicht hatte töten müssen.
    Jeffers blickte wieder geradeaus und sah den letzten fahlen Umriss der Mondsichel am Himmel, bevor sie ganz in der endlosen Bläue verschwand. Er liebte den frühen Morgen, auch wenn es bei diesem Licht schwierig, wenn nicht sogar unmöglich war, vernünftige Bilder zu machen. Falls es jedoch gelang, strahlten sie einen unbestreitbaren Zauber aus. Er dachte an einen Morgen in Vietnam, als er so tollkühn gewesen war, mit einem südvietnamesischen Ranger-Bataillon loszuziehen. Er war ebenso jung gewesen wie die Soldaten. Die anderen Kameraleute, mit denen er zusammen gewesen war – eine Crew von ABC News, ein anderer freier Mitarbeiter, der für Magnum filmte, und ein Kerl vom
Australian
–, hatten dankend abgelehnt, als sich ihnen die Chance bot, bei Kampfhandlungen hautnah dabei zu sein; sie hatten versucht, ihn mit vernünftigen Argumenten davon abzubringen. Doch er hatte sich von dem Gelächter, dem lärmenden Umgang und der unbeschwerten Kameradschaft der Soldaten anstecken lassen. Sie hatten alle mächtig angegeben, mit den Waffen gefuchtelt und siegessicher gegrinst, als sie in den grünen Zweieinhalbtonner stiegen, der sie an die Gefechtslinie bringen sollte. Er war lächelnd mit aufgesprungen, hatte drauflos geknipst, sich ihre Namen geben lassen und die entspannte Stimmung genossen, die im Krieg so kostbar war.
    Einen Tag lang waren sie unter einem freundlichen Himmel durch Reisfelder gestapft. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit hatten sie an einer kleinen Erhebung im Schutz von Bäumen und hohem Unterholz biwakiert. Jeffers erinnerte sich, dass die Männer bis in die Nacht hinein weitergelacht und -gealbert hatten, während er mit einem mulmigen Gefühl in die Dunkelheit starrte. Er war früh in sein Schützenloch gekrochen,nachdem er sich aus ihrem Waffenfundus

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