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Der Frauenhaendler

Der Frauenhaendler

Titel: Der Frauenhaendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giogio Faletti
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wir jemand, der wir nie waren, in der Erwartung, denjenigen zu begreifen, der wir niemals werden würden.
    Doch jetzt ist es vermutlich zu spät, und außerdem würde es auch nichts ändern. Jetzt, da alles aufgeflogen ist, kann sich Lucio nur noch einer einzigen Sache widmen. Jener, die seinen Blick verhärtet. Jener, die ihn dazu gebracht hat, den Kampf mit Worten hinter sich zu lassen und zu den Waffen zu greifen. Alle Revolutionen haben ihre Opfer und ihre Märtyrer. Ich hege den Verdacht, dass ich verschwinden werde, ohne verstanden zu haben, welche Rolle man mir zugedacht hat.
    Als wir auf die Umgehungsautobahn in Richtung Osten fahren, nehme ich die Brille ab und betrachte durchs Wagenfenster die Lichter von Mailand. Man hat mir nicht die Augen verbunden, also haben meine Kerkermeister offenbar kein Problem damit, mich wissen zu lassen, wo man mich hinbringt. Ich werde es erfahren, sobald das Schicksal, das sie für mich vorgesehen haben, in Szene gesetzt wird. Im Grunde handelt es sich doch um nichts als ein großes Theaterstück. Nur dass es dieses Mal keine zweite Aufführung geben wird, da der Tod keine Wiederaufnahme gestattet.
     

 
Kapitel 19
     
    Wir verlassen die Umgehungsautobahn an der Ausfahrt Viale Forlanini, in Richtung Linate.
    Lucio fährt. Sein Gesicht wird abwechselnd von den Scheinwerfern und von den Straßenlaternen beleuchtet. Die Augen sind auf die Straße gerichtet. Perücke und Schnäuzer hat er abgenommen und ist wieder er selbst. Jemand also, den ich eigentlich nicht kenne. Als er sich vorhin eine Zigarette angezündet hat, wurde mir das Ausmaß seiner Kälte und seiner Selbstkontrolle noch einmal bewusst. Niemals hat man in seiner Wohnung auch nur einen Hauch Zigarettenqualm gerochen, nie auch nur die kleinste Spur einer solchen Sucht an ihm bemerkt. Er hat also auch dann nicht geraucht, wenn er alleine war.
    Ich frage mich, was aus seinem Leben geworden wäre, wenn er seine Begabungen und seine Entschlossenheit in etwas Konstruktives statt in etwas Destruktives gesteckt hätte. Ich gebe mir selbst zur Antwort, dass er es vielleicht versucht hat, dass er vielleicht ein Ideal verfolgt hat, das dann mit jedem Tag, der verging, langsam auf eine bloße Idee zusammenschrumpfte, bis die Musik schließlich kein Refugium mehr für ihn war, sondern ein Versteck. Ich sage mir, dass er sich vielleicht mit anderen Worten und aus anderen Gründen dasselbe über mich fragt.
    Am Ende der Allee empfängt uns eine grüne Ampel, so dass wir sofort links abbiegen können, in Richtung Wasserflughafen. Wir lassen den Flughafen hinter uns, wo um diese Uhrzeit nur wenige Passagiere zu sehen sind und kaum Flüge starten. Das Röhren eines startenden Flugzeugs verspricht jedes Mal neue Horizonte, doch in Wirklichkeit ist es nichts als die soundsovielte Reise zu den immergleichen Situationen, nur mit unterschiedlichen Menschen an Bord. Für die Zeitspanne zwischen Start und Landung hält die Illusion an und bietet einzig die Behaglichkeit eines gelegentlichen Schlummers auf unbequemen Sitzen. Wir fahren auch am Luna-Park vorbei. An den Wurfbuden, wo man die Goldfische gewinnen kann, sind die Läden verschlossen. Die Skelette der Karussells ragen in die Dunkelheit, und die fliegenden Untertassen sind mit einer Plane bedeckt. Mit neuen Runden und neuen Fahrten ist es für heute vorbei, und man muss bis morgen warten, bis man wieder versuchen kann, mit einem Wurf sämtliche Dosen herunterzuholen.
    Die gesamte Fahrt über schweigen wir. Chico hinter mir hat sich entspannt, und der Druck des Pistolenlaufs in meinem Nacken ist verschwunden. Ich bin mir aber sicher, dass sich die Waffe noch in seiner Hand befindet und direkt auf meinen Kopf zielt. Eine falsche Handbewegung meinerseits, ein leichter Druck auf den Abzug, und schon wird
    pfft …
    mit dem Geräusch eines Luftgewehrs mein Schädel wie ein Gipskopf bei einer Schießübung zerspringen. Was ich einmal war, wird sich auf die roten Flecken reduzieren, die mein Blut in einer makabren Airbrush-Technik an die Windschutzscheibe spritzt.
    Und doch fühle ich mich merkwürdig kalt und abwesend.
    Die einzigen Dinge, die mir wirklich am Herzen liegen, habe ich mich nicht zu fragen getraut. Warum Fragen stellen, die mich noch wehrloser machen würden?
    Wo ist Carla?
    Was ist ihre Rolle in dieser ganzen Geschichte?
    Ich kann sie mir nicht mit einer Waffe in der Hand vorstellen, wie sie auf den Abzug drückt und das Leben von Menschen auslöscht, die irgendeine

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